Leitsatz (amtlich)

1. Die bei einem standardisierten Messverfahren möglichen Erleichterungen können nur in Anspruch genommen werden, wenn die vom Hersteller vorgesehenen und in der Bedienungsanleitung beschriebenen Funktionstests ordnungsgemäß durchgeführt worden sind.

2. Ein Verstoß gegen die Bedienungsanleitung führt nicht zwingend zur Unverwertbarkeit der Messung.

3. Eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung indiziert die Verdoppelung der Regelgeldbuße.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 07.03.2018; Aktenzeichen (298 OWi) 3041 Js-OWi 13725/17 (1488/17))

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. März 2018 mit den zugrunde liegenden Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen - aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 7. März 2018 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h eine Geldbuße von 200,00 Euro sowie ein mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Antragsschrift vom 28. Mai 2018 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Die Gegenerklärung des Verteidigers vom 4. Juni 2018 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich bereits mit der Sachrüge als zumindest vorläufig erfolgreich und führt - im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, ohne dass es auf die erhobene Verfahrensrüge ankommt. Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe lückenhaft sind (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG).

Die Urteilsausführungen sind bzgl. der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung lückenhaft und deshalb rechtsfehlerhaft (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG). Sie genügen nicht den Anforderungen, die an die Darlegung und Begründung eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnisses zu stellen sind.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es sich bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem - im vorliegenden Fall verwendeten - Laserhandmessgerät Riegl FG21-P um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Januar 2015 - 3 Ws (B) 607/14 -, 10. April 2013 - 3 Ws (B) 158/13 - und 2. Juni 2009 - 3 Ws (B) 264/09 -; OLG Koblenz DAR 2006, 101).

Jedoch liegt ein standardisiertes Messverfahren im Einzelfall nur dann vor, wenn das Gerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung verwendet wurde, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei den ihm vorausgehenden Gerätetests (vgl. Senat VRS 116, 446; OLG Hamm VRS 115, 53; OLG Koblenz a.a.O.). Nur so kann mit der für eine spätere Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob das Gerät in seiner konkreten Aufstellsituation tatsächlich mit der bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt (vgl. OLG Koblenz a.a.O.).

Wie die Verteidigung zutreffend ausführt, hat der am Messgerät geschulte Messbeamte, der Zeuge H., nach den Urteilsfeststellungen vor Inbetriebnahme des Geräts den Displaytest nicht entsprechend den Vorgaben der - dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannten - Gebrauchsanweisung für das zum Einsatz gekommene Messgerät Riegl FG21-P in der 5. Auflage aus dem Jahre 2008 durchgeführt. In dieser ist unter "Einsatz des Gerätes - Vorgeschriebene Funktionstests" (Seite 17) in Ziffer 2. "Displaytest" für die durchzuführenden Tests nach Verbringung des Geräts an einen neuen Einsatzort Folgendes vorgeschrieben: "Alle Segmente am seitlichen Display und an der Messwertanzeige in der Visiereinrichtung müssen aufleuchten und wieder erlöschen". Ausweislich der Urteilsfeststellungen (UA S. 4) hat der Zeuge H. im Gegensatz dazu nach seinen Angaben in der Hauptverhandlung bei Einrichtung der Messstelle den Displaytest nur anhand des Innendisplays, nicht jedoch auch am seitlichen Display (Außendisplay) vorgenommen.

Da die Durchführung der vorgeschriebenen Funktionstests somit den genannten Vorgaben der Gebrauchsanweisung für das eingesetzte Messgerät nicht genügt, kann im vorliegenden ...

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