Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine den Gebührenstreitwert erhöhende Hilfsaufrechnung vorliegt, ist für jede Instanz gesondert zu prüfen.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren erhöht sich nicht, wenn der Beklagte und Berufungskläger im Berufungsverfahren erklärt, an der in erster Instanz erfolglos geltend gemachten Hilfsaufrechnung nicht festzuhalten."

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 93 O 126/07)

 

Tenor

Die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Berufungsbeklagten gegen den Streitwertbeschluss des Senats vom 12.11.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagte auf Mietzahlung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat sich erstinstanzlich u.a. damit verteidigt, dass ihr gegen die Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution zustehe, mit dem sie zum Teil unbedingt und zum Teil hilfsweise die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt hat. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 12.318,13 EUR (davon 11 EUR Nebenforderungen) nebst Zinsen verurteilt und ausgeführt, der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution richte sich nicht gegen die Klägerin, sondern ausschließlich gegen die zwischenzeitliche Erwerberin der Liegenschaft. Es hat den Streitwert unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnungsforderung auf 17.571,75 EUR festgesetzt.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung vom 6.5.2009 hat sie einen Antrag auf Abänderung des Urteils und Abweisung der Klage angekündigt und ausgeführt, das Urteil in vollem Umfang in die Überprüfung durch das KG zu stellen. Sie hat sich u.a. pauschal auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag berufen. Zur Aufrechnungsforderung hat sie nichts weiter ausgeführt. Auf den Hinweis des Senats vom 22.6.2009, dass die Berufung mangels konkreter Angriffe in der Berufungsbegründung unzulässig sei, soweit das LG die Hauptaufrechnung nicht durchgreifen ließ, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8.10.2009 erklärt, sie erhalte die Hauptaufrechnung mit der Kaution gegen den Mietzinsanspruch der Klägerin nicht aufrecht, weil sie hinsichtlich der Mietkaution eine Einigung mit der neuen Eigentümerin des Objekts gefunden habe. In der mündlichen Verhandlung am 12.11.2009 hat die Beklagte die Berufung deswegen teilweise zurückgenommen. Der Senat hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 12.11.2009 zurückgewiesen. Er ist in dem Urteil auf die Aufrechnungsforderung nicht eingegangen.

Durch Beschluss vom 12.11.2009 hat der Senat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 12.307,13 EUR festgesetzt. Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17.11.2009 "Beschwerde/Erinnerung/Gegenvorstellung" eingelegt mit dem Ziel, den "Beschwerdewert" auf 17.571,75 EUR festzusetzen. Sie führen aus, dass die Beklagte das Urteil umfassend angegriffen und die teilweise Antragsrücknahme erst nach Erörterung der Frage der Aufrechnung im Termin erklärt habe, so dass in voller Höhe eine Terminsgebühr entstanden sei.

II.1. Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.11.2009 ist trotz der Mehrfachbezeichnung nur als Gegenvorstellung auszulegen, da die Beschwerde gem. § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG unzweifelhaft nicht statthaft ist und sich aus dem Schriftsatz nicht ergibt, dass sie eine für sie nutzlose Verwerfung durch den BGH wünschen.

2. Die Gegenvorstellung ist unbegründet. Der Senat hat den Streitwert für die zweite Instanz zutreffend festgesetzt.

a) Der Vorwurf der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der Senat habe nicht berücksichtigt, dass die Berufung erst in der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen worden ist, trifft nicht zu. Der Senat hat den Wert auf den vollen Betrag der erstinstanzlichen Verurteilung in der Hauptsache festgesetzt und die teilweise Rücknahme der Berufung dabei nicht berücksichtigt.

b) Ob die Hilfsaufrechnung zu berücksichtigen ist, ist keine Frage der Berufungsrücknahme, sondern der Anwendung von § 45 Abs. 3 GKG, die umstritten ist.

aa) Nach der überwiegend vertretenen Auffassung führt § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nur zur Werterhöhung, sofern in der jeweiligen Instanz eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Hilfsaufrechnungsforderung ergeht (vgl. BGH, Urt. v. 10.6.1986 zu I ZR 102/84, JurBüro 1987, 853; Meyer, Gerichtskosten, 11. Aufl. 2009, § 45 GKG Rz. 38; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. 2009, § 45 GKG Rz. 48 f.; Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG FamGKG JVEG, 2. Aufl. 2009, § 45 GKG Rz. 28, 33; Madert/von Seltmann, Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 5. Aufl. 2008, Rz. 102; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl. 2007, Rz. 595 ff.; Anders/Gehle/Kunze, Streitwertlexikon, 4. Aufl. 2002, "Aufrechnung" Rz. 11; Oestreich/Winter/Hellstab, Streitwerthandbuch, 2. Aufl. 1998, "Aufrechnung"; Sonnenfeld/Steder, Rpfleger 1995, 60; Mümmler, JurBüro 1979, 843).

Gestützt auf diese Auffassung ist in der Rechtsprechung für den Gebührenstreitwert der Berufung e...

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