Leitsatz (amtlich)
Die Vertretung des abwesenden Angeklagten setzt nach § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO voraus, dass der Angeklagte den Verteidiger zuvor schriftlich zur Vertretung bevollmächtigt hat. Nicht ausreichend ist es insoweit, wenn die Vollmacht aufgrund einer mündlichen Ermächtigung durch den Angeklagten von dem zu bevollmächtigten Verteidiger selbst unterzeichnet wird.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 01.09.2017; Aktenzeichen (567 Ns) 253 Js 115/16 (215/16)) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. September 2017 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 6. Oktober 2016 wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 1. September 2017 gemäß § 329 Abs. 1 StPO mit der Begründung verworfen, der Angeklagte sei trotz ordnungsgemäßer Landung im Termin zur Berufungshauptverhandlung unentschuldigt ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden. Mit seiner gegen das Verwerfungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO. Er macht geltend, die Vorschrift lasse es zu, dass sich der Verteidiger in der Hauptverhandlung selbst eine Vertretungsurkunde ausstelle. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Revisionsbegründungsschrift Bezug. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat beantragt, die Revision gemäß § 329 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg; sie ist unzulässig.
1. Die von dem Angeklagten allein gerügte Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO ist nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise geltend gemacht worden. Zur ausreichenden Begründung einer auf § 329 Abs. 1 StPO gestützten Verfahrensbeschwerde gehört der Vortrag, dass sich der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger auf eine ihm in schriftlicher Form erteilte besondere Vollmacht, die ihn ausdrücklich zur Vertretung des abwesenden Angeklagten berechtigt, berufen und diese dem Gericht nachgewiesen hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - [4] 161 Ss 254/14 [11/15] - und vom 7. Februar 2014 - [4] 161 Ss 5/14 [14/14] -, bei juris; KG NStZ 2016, 234, mit zust. Anm. Mosbacher). Die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen muss die Revision ohne Bezugnahmen und Verweisungen so umfassend und vollständig mitteilen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Angaben prüfen kann, ob Verfahrensrecht verletzt ist, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Januar 2015 - [4] 161 Ss 254/14 [11/15] -, mwN). Daran fehlt es hier. Die Revisionsbegründung enthält lediglich rechtliche Ausführungen zu der Frage, ob sich ein Verteidiger in der Hauptverhandlung selbst wirksam eine Vertretungsurkunde ausstellen kann. Die relevanten Verfahrenstatsachen trägt der Angeklagte hingegen nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise vor. Ob der Verteidiger dem Berufungsgericht eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat und welchen Inhalt diese Urkunde gegebenenfalls hatte, insbesondere von wem und zu welchem Zeitpunkt sie ausgestellt wurde und ob sie den Verteidiger (auch) zur Vertretung nach § 329 Abs. 1 StPO ermächtigte, führt die Revisionsbegründung nicht explizit aus. Soweit dort referiert wird, das Landgericht habe festgestellt, dass der in der Berufungshauptverhandlung nicht erschienene Angeklagte von seinem Verteidiger vertreten worden sei, der dem Gericht eine von ihm selbst mit dem Zusatz "i. V." unterzeichnete Vertretungsvollmacht übergeben habe, liegt hierin kein ausreichender Tatsachenvortrag. Die den Verfahrensfehler begründenden Tatsachen müssen in der Beschwerdeschrift ausdrücklich und bestimmt behauptet werden (vgl. Franke in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Auflage, § 344 Rdn. 84, mwN). Die Wiedergabe fremder Ausführungen ersetzt eine eigene Behauptung nicht. Der Rückgriff auf die Urteilsgründe ist dem Senat hier ebenfalls verwehrt. Zwar kann der Inhalt des angefochtenen Urteils zur Begründung einer Verfahrensrüge grundsätzlich ergänzend herangezogen werden, wenn sich die jeweiligen Verfahrenstatsachen aus der Urteilsurkunde ersehen lassen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Revisionsgericht - etwa aufgrund einer umfassend erhobenen Sachrüge - von dem entsprechenden Urteilsinhalt ohnehin Kenntnis nehmen muss (vgl. BGHSt 36, 384, 385; Gericke in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Auflage, § 344 Rdn. 39). Dies ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte rügt allein einen Verstoß gegen § 329 Abs. 1 StPO; die Sachrüge hat er nicht erhoben.
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Revision auch unter Zugrundelegung des der Revisionsbegründung mittelbar zu entnehmenden Sachverhalts der Erfolg versagt bleiben müsste. Das Landgericht ist danach...