Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 10.08.2009; Aktenzeichen 352 Gs 2868/09) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. August 2009 - 352 Gs 2868/09 - aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Berlin führt seit dem 2. August 2009 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten G und H gegen den Beschuldigten, der niederländischer Staatsangehöriger ist. Dieser soll die Geschädigten gemeinschaftlich mit den gesondert Verfolgten A und B sowie weiteren, unbekannt gebliebenen Personen, nach deren Ankunft am Flughafen Berlin-Tegel am 17. März 2002 entführt und in der Folge um drei Millionen US-Dollar erpresst haben. Einem gemeinsam mit dem Beschuldigten gefassten Tatplan folgend sollen seine Mittäter die Geschädigten mittels Pkw in ein in Berlin gelegenes Abrissgebäude verbracht und dabei mit vorgehaltenen Schusswaffen bedroht haben. Der Geschädigte G soll von einem der unbekannten Tatgenossen des Beschuldigten einen Schlag mit einem Revolver auf den Kopf erhalten haben, um ihn einzuschüchtern, wodurch der Geschädigte Kopfschmerzen erlitten haben soll. Die Geschädigten sollen über mehrere Tage - zunächst im Keller des Abrissgebäudes, später in einer Berliner Wohnung - mit angelegten Hand- und Fußfesseln festgehalten und unter Vorhalt von Schusswaffen mit Erschießung bedroht worden sein. Der Geschädigte G soll deshalb, der Lösegeldforderung der Entführer folgend, per e-Mail, Fax und Telefon die Auszahlung von 3.401.500 Euro aus seinem Bankguthaben an die Geschädigte H veranlasst haben, die von den gesondert Verfolgten A und B am 21. März 2002 zur Auszahlung nach Hamburg begleitet worden sein soll. Die Geschädigte H. soll das Lösegeld sofort nach Erhalt an A und B übergeben haben und daraufhin im Hamburger Stadtgebiet freigelassen worden sein. Der Geschädigte G. der bis zurGeldübergabe in Berlin festgehalten worden sei, soll ebenfalls am 21. März 2002 freigelassen worden sein.
In Zuge der Ermittlungen wurde am 21. Oktober 2004 die Wohnung des Beschuldigten in G. durchsucht, die er zusammen mit seiner deutschen Ehefrau und der gemeinsamen Tochter bewohnte und für die er seit dem 1. September 1999 mit alleinigem Wohnsitz amtlich gemeldet war. Am selben Tag erfolgte - in Anwesenheit des Beschuldigten - auch die Durchsuchung der Büroräume der W.GmbH des Beschuldigten in B. Die bei der Durchsuchung der Büroräume beschlagnahmten beiden Personalcomputer wurden dem Beschuldigten am 27. Oktober 2004 wieder ausgehändigt; die Auswertung der Asservate ergab keine Erkenntnisse oder Ermittlungsanhalte.
Mit Anhörungsschreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 26. Januar 2005 wurde der Beschuldigte zu einem Termin zur Beschuldigtenvernehmung am 9. Februar 2005 geladen. Unter dem 8. Februar 2005 teilte er schriftlich mit, dass er den Termin nicht wahrnehmen und sich anwaltlich beraten lassen werde. Rechtsanwalt W. meldete sich mit Schreiben vom 14. Februar 2005 unter Vollmachtsvorlage für den Beschuldigten bei der Polizei und teilte mit, dass sich sein Mandant vorerst nicht äußern werde. Er verwies auf das an die Staatsanwaltschaft Berlin gerichtete Akteneinsichtsgesuch vom selben Tage. Trotz mehrfacher Erinnerungen erhielt der Verteidiger des Beschuldigten bis Oktober 2005 keine Akteneinsicht; sodann konnte er lediglich einen Aktenauszug einsehen.
In Juni 2008 wurden polizeiliche Ermittlungen nach dem aktuellen Aufenthalt des Beschuldigten aufgenommen, die ergaben, dass dieser zum 1. Januar 2006 in die N. verzogen war. Eine Aufenthaltsanfrage an die niederländischen Meldebehörden wurde am 21. Juli 2008 dahingehend beantwortet, dass der Beschuldigte die Niederlande nach Belgien verlassen habe und am 20. Dezember 2006 aus dem Register gelöscht worden sei.
Am 29. Mai 2009 hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die gesondert Verfolgten A und B erhoben. Das Verfahren ist zum Aktenzeichen (502) 1 Kap Js 1620/03 (30/09) beim Landgericht Berlin anhängig; über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht entschieden.
Gegen den Beschwerdeführer erging auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 10. August 2009 Haftbefehl, der auf den Haftgrund der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) gestützt wurde. Der Beschuldigte habe sich in Kenntnis der polizeilichen Ermittlungen vermutlich ins Ausland abgesetzt und sei seit längerer Zeit an seiner Meldeanschrift (in den Niederlanden) nicht mehr aufhältig. Der Verteidiger wurde nicht vorab zu dem Aufenthaltsort des Beschuldigten befragt.
Die zur Vollstreckung des darauf basierenden Europäischen Haftbefehls eingeleitete internationale Fahndung nach dem Beschuldigten führte zur Mitteilung der belgischen Behörden vom 12. November 2009, der Beschuldigte könne unter seiner Meldeanschrift in K. angetroffen werden, und zu dessen Festnahme in Be...