Entscheidungsstichwort (Thema)
Reduzierte Sachverhaltsaufklärungspflicht des Tatgerichts bei einer Messung der Atemalkoholkonzentration mit einem Gerät des Typs Dräger ALCOTEST 9510 DE
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Bei einer Messung der Atemalkoholkonzentration mit einem Gerät des Typs Dräger ALCOTEST 9510 DE handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, was im Rahmen der Beweisaufnahme zu einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungspflicht des Tatgerichts führt: Das Tatgericht muss lediglich das Messverfahren (den berücksichtigten Toleranzwert, sofern erforderlich) und das so ermittelte Messergebnis benennen. Nur wenn die Beweisaufnahme konkrete Hinweise für Unregelmäßigkeiten ergeben hat, die über pauschale Behauptungen zur Fehlerhaftigkeit der Messung und grundsätzlichen Einwänden des Betroffenen gegen das dem Gerät zugrundeliegende Wirkprinzip hinausgehen, muss das Tatgericht Verfahrensbestimmungen wie Zeitablauf ab Trinkende und Messablauf darstellen.
2. Bei häufig vorkommenden Verstößen können die Angaben von Berufszeugen, die unter Hinweis auf die nachvollziehbar dargelegte Ordnungsgemäßheit der Erfassung des Verstoßes erfolgen, trotz fehlender eigener Erinnerung auch dann in freier Beweiswürdigung als zutreffend gewertet werden, wenn diese damit zugleich ersichtlich darauf abzielen, die Richtigkeit des Vorwurfs zu bestätigen.
3. Begründungserfordernis bei erheblicher Abweichung von der Regelbuße.
4. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG ist in der Regel ein Fahrverbot gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG anzuordnen, so dass nähere Erörterungen hierzu nur in besonderen Ausnahmefällen erforderlich sind.
Normenkette
OWiG § 17 Abs. 3, § 46 Abs. 1, §§ 77, 79; StPO § 244 Abs. 2, §§ 261, 344 Abs. 2, § 349 Abs. 2, § 473; StVG §§ 24a, 25; BKatV §§ 1, 4 Abs. 3-4
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 13.12.2021; Aktenzeichen 304 OWi 1175/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. Dezember 2021 wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Nachdem der Polizeipräsident in Berlin gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 21. September 2021 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG unter Berücksichtigung von Voreintragungen im Fahreignungsregister eine Geldbuße in Höhe von 590,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen hatte, hat ihn auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch das Amtsgericht Tiergarten am 13. Dezember 2021 wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 750,00 Euro verurteilt, ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen und eine Bestimmung über das Wirksamwerden des Fahrverbotes nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen.
Das Gericht hat festgestellt, dass der Betroffene mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,32 mg/l sein Fahrzeug am 12. September 2021 um 23.47 Uhr auf öffentlichem Straßenland geführt hat. Nach den Urteilsgründen beruhen die Feststellungen auf den Angaben des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten, dem der Betroffene im Straßenverkehr durch seine Fahrweise aufgefallen war, und der Zeugin A, die auf der Gefangenensammelstelle die Messung durchführte, und auf der Verlesung des Ausdrucks des Messgerätes des Typs Dräger ALCOTEST 9510 DE vom 13. September 2021, welches ausweislich des ebenfalls verlesenen Eichscheines bis Ende Dezember 2021 geeicht war. Der den erlaubt abwesenden Betroffenen vertretende Verteidiger hat die Fahrzeugführereigenschaft des Betroffenen eingeräumt, den Tatvorwurf bestritten und lediglich erklärt, der Betroffene verfüge über ein "geregeltes, überschaubares Einkommen".
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen Rechts und erhebt die allgemeine Sachrüge. Zur Begründung führt der Verteidiger im Wesentlichen Widersprüche zwischen den Urteilsgründen und dem Protokollinhalt an, wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Gerichts insbesondere im Hinblick auf die Wertung der Aussage der Zeugin A und die Verwertbarkeit der Messung und beanstandet die festgesetzte Höhe der Geldbuße.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 2. März 2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Mit den Verfahrensrügen kann der Betroffene nicht durchdringen.
a) Sollte dem Vortrag der Verteidigung eine Verfahrensrüge insoweit zu entnehmen sein, als dass Widersprüche zwischen der in der Hauptverhandlung erfolgten Aussage der Zeugin A und den diesbezüglichen Feststellungen in den Urteilsgründen bzw. in sich widersprüchliche Bekundungen der Zeugen bestünden, hat ...