Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 4 C 150/80)

LG Berlin (Aktenzeichen 61 S 227/80)

 

Tenor

Es ergeht folgender Rechtsentscheid:

Für die Annahme eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 564 b Abs. 1 BGB) genügt es nicht, wenn der Erwerber eines Hauses uni nunmehrige Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses über eine in dem Haus belegene Wohnung nur damit begründet, daß er das Haus erworben hat, um in seinem Eigentum wohnen zu können und nicht mehr Mieter sein zu müssen.

 

Gründe

Das Landgericht Berlin hat dem Kammergericht mit dem Beschluß vom 30. Oktober 1980 folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Liegt ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 564 b Abs. 1 BGB vor, wenn der Erwerber eines Hauses dem darin wohnenden Mieter das Mietverhältnis über die Wohnung mit der Begründung kündigt, er habe das Haus erworben, um in seinem Eigentum wohnen zu können und nicht mehr Mieter zu sein?

Der Vorlagebeschluß ist nach Artikel III Abs. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1248/GVBl. für Berlin 1968, S. 263) in der Fassung des Gesetzes vom 5. Juni 1980 (BGBl. I S. 657/GVBl. für Berlin S. 1131) zulässig. Bei der vorgelegten Rechtsfrage handelt es sich um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung; über sie ist durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden worden.

Die Parteien haben zu dem Vorlagebeschluß Stellung genommen.

Über die Rechtsfrage ist in der aus der Beschlußformel ersichtlichen Weise zu entscheiden.

§ 564 b BGB entspricht im wesentlichen dem Artikel 1 § 1 des Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 25. November 1971 (BGBl. I S. 1839/GVBl. für Berlin S. 2100). Beide Bestimmungen bilden das Kernstück des sozialen Mietrechts (Münch. Ktar.-Voelskow, BGB, 1980, § 564 b Rn. 5; Soergel-Kummer, BGB, 11. Aufl., 1980, § 564 b Rn. 3). § 564 b BGB bezweckt – wie schon sein Vorgänger – neben einer Verstetigung des Schutzes des Wohnraummieters einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters: der Mieter soll vor ungerechtfertigter Kündigung und unangemessener Mieterhöhung geschützt werden, ohne daß dadurch die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes und das verfassungsmäßige Recht des Vermieters gefährdet werden, sein Eigentum in einem am Gemeinwohl ausgerichteten Rahmen zu nutzen und darüber zu verfügen (vgl. Bericht der Bundesregierung vom 2. März 1979, Bundestags-Drucksache 8/2610 S. 5).

Diesen Ausgleich will das Gesetz in der Weise erreichen, daß es die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum – vorbehaltlich der Regelung in § 564 b Abs. 4 BGB – nur dann gestattet, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 564 b Abs. 1 BGB). Dabei muß der Vermieter, wenn er kündigen will, die Gründe, die das berechtigte Interesse ergeben sollen, in dem Kündigungsschreiben ausdrücklich angeben (§ 564 b Abs. 3 BGB).

In § 564 b Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BGB sind beispielhaft Tatbestände bezeichnet, deren Vorliegen ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses begründen. Es ist herrschende Meinung, daß andere Sachverhalte, die nicht unter die Tatbestände des § 564 b Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BGB eingeordnet werden können, nur dann geeignet sind, ein berechtigtes Interesse zu begründen, wenn sie nach Bedeutung und Schwere mit den Tatbeständen des § 564 b Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BGB vergleichbar sind; diese Tatbestände geben den Maßstab ab, an denen andere Sachverhalte zu messen sind (vgl. Sonnenschein, Mietrecht, 1979, BGI, § 564 b Rn. 25; Soergel-Kummer, BGB, 11. Aufl., § 564 b Rn. 27; Münch.Ktar.-Voelskow, a.a.O., § 564 b Rn. 45; BGB-RGRK-Gelhaar, 12. Aufl., 1978, § 564 b Rn. 7, 16; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 3. Aufl., 1979, BGB § 564 b Rn. B 468, 509; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., 1979, BGB § 564 b Rn. IV 68; Barthelmess, Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz-Miethöhegesetz, 2. Aufl., 1980, BGB § 564 b Rn. 52, 102; LG Mannheim NJW 1976 S. 1407; LG Bonn WuM 1978 S. 51, 52).

Hat jemand ein Haus erworben, um unter Verdrängung eines bisherigen Wohnungsmieters in seinem Eigentum wohnen zu können oder um die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen darin wohnen zu lassen, so rechtfertigt dieser Wunsch des Eigentümers/Vermieters die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann, wenn die Wohnung des bisherigen Mieters für den Vermieter oder die anderen Genannten benötigt wird (vgl. § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Rechtsprechung hat inzwischen geklärt, welche Voraussetzungen grundsätzlich gegeben sein müssen, damit hiernach ein berechtigter Eigenbedarf anerkannt werden kann, die Wohnung also im Sinne des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB benötigt wird. Dazu genügt jedenfalls nicht der bloße Wunsch, das eigene Haus zum Wohnen zur Verfügung zu haben (Soergel-Kummer, a.a.O., § 564 b Rn. 35; Münch.Ktar.-Voelskow, a.a.O., § 564 b Rn. 56; Sternel, a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge