Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Zuständigkeitsstreitwert eines Anspruches auf Unterlassung von Negativmitteilungen an die Schufa Holding AG und andere Wirtschaftsinformationsdienste

 

Normenkette

ZPO § 281 Abs. 2 S. 4

 

Tenor

Das LG Berlin wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Das AG Mitte und das LG Berlin streiten über die sachliche Zuständigkeit für einen Rechtsstreit, der zunächst beim AG Mitte anhängig gemacht wurde. Während dort die klägerische Telefongesellschaft den Ausgleich offener Telefonrechnungen vom Beklagten begehrte, verlangt der widerklagende Beklagte Unterlassung von Negativmitteilungen an die Schufa Holding AG und andere Wirtschaftsinformationsdienste wegen der offenen Rechnungen. Der Beklagte gab den Wert der Widerklage mit 15.000 EUR an, woraufhin das AG dem Beklagten mitteilte, dass die Streitwertgrenze des AG überschritten sein dürfte; eine Begründung enthielten das Hinweisschreiben nicht. Der Beklagte beantragte sodann die Verweisung des Rechtsstreits an das LG, woraufhin sich das AG durch wiederum nicht weiter begründeten Beschluss vom 6.3.2009 für sachlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das LG verwies. Die Klägerin stimmte der Verweisung zu. Mit Beschluss vom 28.4.2009 erklärte sich auch das LG für sachlich unzuständig und legte die Sache dem KG zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Zur Begründung führte das LG aus, der Streitwert der Widerklage betrage lediglich 2.500 EUR, weil der Beklagte keinerlei konkrete ihm aus der Mitteilung an die Schufa Holding AG drohende Nachteile benannt habe und es daher lediglich um die Verhinderung des allgemeinen Makels als säumiger Schuldner gehe.

II.1. Das KG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich zunächst das AG Mitte und sodann das LG Berlin mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für unzuständig erklärt haben.

2. Das LG ist jedenfalls gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen des Verweisungsbeschlusses des AG sachlich zuständig.

a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bewirkt der Verweisungsbeschluss im Grundsatz bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichtes und die Zuständigkeit des Gerichtes, an das verwiesen wird. Anerkannt ist jedoch, dass die Bindungswirkung ausnahmsweise entfällt, wenn die Verweisung auf Willkür beruht (vgl. nur BGH NJW 2003, 3201 [3201]; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist Willkür nicht allein deshalb anzunehmen, weil die Frage der Zuständigkeit - aus Sicht des nach § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufenen, höheren Gerichtes oder aus Sicht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung - unzutreffend beantwortet wurde. Die Grenze zwischen der fehlerhaften, gleichwohl aber bindenden Entscheidung, und der willkürlichen Entscheidung ist allerdings u.a. dann überschritten, wenn das verweisende Gericht die maßgebliche Zuständigkeitsregel in den Entscheidungsgründen nicht erörtert und die Zuständigkeit des verweisenden Gerichts mit gewisser Eindeutigkeit zu bejahen ist oder wenn das verweisende Gericht die maßgebliche Zuständigkeitsregel zwar in den Entscheidungsgründen erörtert, jedoch zu einem völlig unvertretbaren Ergebnis gelangt (KG, Beschluss vom 29.5.2008, 2 AR 25/08, WM 2008, 1571; Beschluss vom 29.5.2008, 2 AR 20/08, KGReport Berlin 2008, 749-751). Dabei ist ein begründungsloser Verweisungsbeschluss einem mit Begründung versehenen Verweisungsbeschluss gleichzusetzen, wenn jener auf Antrag beider Parteien ergangen ist und das verweisende Gericht die Antragstellung zuvor nicht angeregt hat (vgl. BGH NJW 2003, 3201 [3202]; BGH NJW 2002, 3634 [3636]; BGH, FamRZ 1988, 943 [943]). Ein solcher Beschluss kann daher allenfalls dann willkürlich sein, wenn die Annahme der Zuständigkeit des Gerichts, an das verweisen wurde, völlig unvertretbar ist (Senat, Beschluss vom 15.9.2008, 2 AR 46/08). Gleiches gilt, wenn das Gericht zwar die Antragstellung wegen sachlicher Unzuständigkeit angeregt hat, die Anregung aber eine Streitwertangabe des Antragstellers nachvollzieht, welche sich außerhalb der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bewegt, und der Antragsteller anwaltlich vertreten ist. Denn jedenfalls der anwaltlich vertretenen Partei ist bei der Angabe des Streitwertes bewusst, dass die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - durch die Höhe des Streitwertes bestimmt wird; zugleich ist ihr die Streitwertgrenze zwischen amts- und landgerichtlicher Zuständigkeit (5.000 EUR) bekannt. Daher gibt der Antragsteller in derartigen Fällen nicht lediglich dem gerichtlichen Druck nach, sondern strebt die Verweisung eigeninitiativ an.

b) Demgemäß ist vorliegend Willkür nicht zu bejahen. Denn zum einen hat der Widerkläger den Streitwert der Widerklage schon in der Widerklageschrift mit einem Betrag (15.000 EUR) angegeben, der unzweifelhaft nicht mehr in die Zuständigkeit des AG fällt. Zum anderen ist es jedenfalls nicht völlig unvertretbar, den Streitwert der Widerklage auf zumindes...

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