Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 30.03.2012; Aktenzeichen (524) 264 Js 3145/11 Ls Ns (86/11)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. März 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Misshandlung von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, der gefährlichen Körperverletzung, der versuchten vorsätzlichen Körperverletzung und der Nötigung schuldig ist.
2. Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch betreffend die Taten zu Ziffern III. 1. und 2. sowie im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen, vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Auf die unbeschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall III.1.; §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5, 225 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Nr. 1, 52 StGB), Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall III.2.; §§ 223 Abs. 1, 225 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB), gefährlicher Körperverletzung, versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang (vorläufigen) Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Jugendkammer hat unter den Gliederungspunkten III. 1.) und 2.) die folgenden Feststellungen zu den Taten getroffen:
Der Angeklagte lebte seit November 2010 mit seiner Lebensgefährtin N. und deren Kindern, dem am 5. März 2006 geborenen A. und der am 28. März 2009 geborenen S. in einem Haushalt. Obwohl er nicht der leibliche Vater der Kinder ist, sorgte er für sie und betreute sie zeitweise. Die Kinder sahen den Angeklagten als Vater an.
III.1.) Am 13. Juni 2011 hielt der Angeklagte A. vor, am Vorabend nicht auf seine Mutter gehört zu haben. Weil das Kind seiner Ansicht nach nicht ausreichend auf seine Ansprache reagierte, schlug er es mehrfach wuchtig mit den Fäusten auf den Kopf und in das Gesicht. Sodann umfasste er den Hals des Jungen und würgte ihn kräftig mehrere Sekunden lang, so dass sich massive Atemnot und Todesangst bei ihm einstellten. N. ergriff ihren Sohn und floh mit ihm in das Badezimmer. Der Angeklagte folgte ihnen und misshandelte A. dort weiter. Er versetzte ihm weitere Faustschläge gegen den Kopf, riss heftig an seinem Ohr und würgte ihn erneut massiv mehrere Sekunden lang, bis es N. gelang, ihn aus dem Badezimmer zu schieben. Die durch seine Handlungen verursachten Folgen, starke Atemnot, Todesangst und Schmerzen, waren dem Angeklagten gleichgültig. A., der vom 14. bis 17. Juni 2011 stationär untersucht und behandelt wurde, erlitt darüber hinaus zahlreiche Hautunterblutungen, Schürf- und Kratzwunden sowie eine Quetsch-Risswunde am Ohrläppchen. Aufgrund des Würgens befand sich der Geschädigte in Lebensgefahr.
III.2.) Nachdem N. den Angeklagten aus dem Badezimmer geschoben hatte, wandte der Angeklagte seine Aggressionen gegen die zweijährige S.. Er zog sie über den Fußboden, auf dem Teekrümel lagen, so dass sie Hautabschürfungen im Gesicht davontrug. Anschließend biss er zweimal so kräftig in die Rückseite ihres rechten Oberschenkels, dass sich offene Wunden bildeten, die sich später entzündeten. Neben diesen Wunden und starken Schmerzen verursachten die Handlungen des Angeklagten, dem auch diese Folgen gleichgültig waren, Hautunterblutungen und Schürfwunden. S. wurde ebenfalls vom 14. bis 17. Juni 2011 in einem Klinikum untersucht und behandelt.
2. Der Schuldspruch bedarf der Änderung.
a) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) im Fall III.1.) und tateinheitlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) im Fall III.2.) hatte zu entfallen, weil - wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin zutreffend ausgeführt hat - § 223 Abs. 1 hinter § 225 Abs. 1 StGB und § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hinter § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten.
Gesetzeseinheit liegt vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. August 2006 - 2 StR 198/06 - = NStZ-RR 2007, 76 und vom 4. April 2001 - 2...