Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 22.09.2005; Aktenzeichen 84 T 326/05 B) |
AG Berlin-Schöneberg (Entscheidung vom 04.08.2005; Aktenzeichen 70 XIV 1597/05 B) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 22. September 2005 - Az. 84 T 326/05 B -abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Freiheitsentziehung der Betroffenen durch den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 4. August 2005 rechtswidrig war.
Der Antragsteller hat der Betroffenen die in den drei Rechtszügen betreffend die vorgenannte Entscheidung des Amtsgerichts entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Betroffene beantragte in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. April 2004 abgelehnt. Mit gleichem Bescheid wurde die Abschiebung nach Frankreich angeordnet. Die Entscheidung wurde am 19. Oktober 2004 bestandskräftig. Ausweislich einer Mitteilung des Landkreises Sxxx vom 4. August 2005 (Bl. 2 d.A.) befand sich die letzte Wohnanschrift in Hxxx (Zuweisung von Hxxx am 5. Juli 2004). Die Betroffene sollte am 18. Mai 2004 nach Frankreich überstellt werden. Dies scheiterte, weil sie an ihrer Meldeanschrift nicht aufhältlich war.
Die Betroffene wurde am 4. August 2005 festgenommen. Der Antragsteller hat am selben Tag ihre Abschiebung beantragt.
Ebenfalls am 4. August 2005 hat das Amtsgericht Schöneberg die Betroffene angehört. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Betroffene folgendes ausgeführt: "Den Ort, an dem ich Asyl beantragt habe, habe ich vor einem Jahr und einigen Monaten verlassen. Seit dem bin ich in Berlin, Ich wohne hier bei meinem Freund, der mir hilft. Die Adresse kenne ich nicht."
Das Amtsgericht hat die Abschiebungshaft bis zum 24. Oktober 2005 angeordnet. Die Betroffene wurde am 23. August 2005 abgeschoben.
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde mit dem Begehren einer Rechtswidrigkeitsfeststellung ist vom Landgericht Berlin zurückgewiesen worden. In jenem Beschluss ist die örtliche Zuständigkeit des Antragstellers für das vorliegende Verfahren bejaht worden. Gegen den Beschluss hat die Betroffene weitere sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG in Verbindung mit §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 und 2 FEVG und § 106 Abs. 2 AufenthaltsG (vgl. zur Rechtswidirgkeitsfeststellung: BVerfG infAuslR 2002, 113). Sie hat in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts weist einen Rechtsfehler auf ( § 27 Abs. 1 FGG in Verbindung mit § 546 ZPO).
Die Freiheitsentziehung setzt gemäß § 3 Satz 1 FEVG den Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde voraus. Das Vorliegen eines zulässigen Antrages ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Zur Zulässigkeit eines Antrages auf Anordnung von Abschiebungshaft gehört auch die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde (Senat, NVwZ-Beil. 1998, 78).
Die Annahme des Landgerichts, dass die örtliche Zuständigkeit des Antragstellers begründet war, unterliegt durchgreifenden Rechtsbedenken.
Die Verwaltungsverfahrensgesetze der hier in Betracht kommenden Bundesländer Sachsen-Anhalt und Berlin erklären übereinstimmend diejenige Behörde für örtlich zuständig, in deren Bezirk eine natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 a VwVfG LSA i.d.F. vom 7. Januar 1999 - GVBl. LSA, S. 2 -, § 3 Abs. 1 Nr. 3 a Berl VwVfG).
Für die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts ist die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I maßgebend. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand danach dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Für die demgemäß anzustellende Prognose kommt es auf die Umstände im Zeitpunkt der Begründung des Aufenthalts an, nicht auf dessen tatsächliche Dauer (OVG Berlin, InfAuslR 2001, 165, 166 m.w.N.). Zu den maßgeblichen Umständen gehören auch ausländer- und asylbehördliche Entscheidungen, insbesondere Aufenthaltsbeschränkungen und die Entscheidungspraxis der Ausländerbehörde (dsslb., ebd.).
Die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts setzt eine voraussichtliche Dauerhaftigkeit voraus. Es muss sich um einen Aufenthalt handeln, mit dessen alsbaldiger Beendigung nicht zu rechnen ist. Für die Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalts in Berlin genügte es nicht, dass sich die Betroffene, ihren Angaben als zutreffend unterstellt, im August 2005 seit einem Jahr und "einigen" Monaten in Berlin befindlich war. Die weiter bestehende räumliche Beschränkung des Aufenthalts der Betroffenen auf den Bezirk der Ausländerbehörde des Landkreises Sxxx steht dem entgegen.
Der Aufenthalt in Berlin war illegal. Die Betroffene war verpflichtet, sich an den zugewiesenen Aufenthaltsort zu begeben ( §§ 59 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, 36 AuslG a...