Leitsatz (amtlich)
1. Wer während einer im Inland festgesetzten Sperrfrist ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug führt, macht sich auch dann nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar, wenn er zuvor eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat.
2. Aus dem Urteil muss sich aber ergeben, dass die Sperrfrist im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist. Die Mitteilung der Eintragung im Bundeszentralregister genügt nicht.
Normenkette
StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 29; FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 4, S. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 26.02.2014; Aktenzeichen (561) 3024 Js 12389/12 Ns (109/13)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, die ihm erteilte Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von 24 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass die Sperrfrist auf ein Jahr und drei Monate festgesetzt wurde.
Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte ist seit 1997 mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Zuletzt hat ihn das Amtsgericht Tiergarten am 3. November 2010 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und mit seit 9. Februar 2012 rechtskräftigem Urteil vom 1. Februar 2012 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und in beiden Fällen isolierte Sperrfristen von je einem Jahr festgesetzt. Am 11. April 2012 befuhr der Angeklagte am Steuer eines Kraftfahrzeugs öffentliches Straßenland in Berlin.
Die Einlassung des Angeklagten, er habe am 28. Juni 2010 in Tschechien, wo er zuvor "häufig" gewesen sei, eine Fahrprüfung absolviert und eine Fahrerlaubnis erworben, hat das Landgericht nach der Vernehmung einer Bekannten des Angeklagten geglaubt, obwohl der Angeklagte - mit unterschiedlichen Begründungen - weder am Tattag noch in der Hauptverhandlung einen Führerschein vorlegen konnte. Das Landgericht ist aber davon ausgegangen, dass der Angeklagte nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV wegen einer nach der Fahrerlaubniserteilung angeordneten Sperrfrist zur Tatzeit kein Kraftfahrzeug führen durfte.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass die - angeblich - am 28. Juni 2010 erworbene Fahrerlaubnis der Republik Tschechien den Angeklagten nicht dazu berechtigte, am Tattag, dem 11. April 2012, ein Kraftfahrzeug auf öffentlichem deutschen Straßenland zu führen. Das ergibt sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV. Nach dieser Vorschrift gilt die Berechtigung, aufgrund eines EU-Führerscheins auch im Inland ein Kraftfahrzeug zu führen nicht, wenn dem Inhaber aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Nach den ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist gegen den Angeklagten durch Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. Februar 2012, rechtskräftig seit 9. Februar 2012, eine isolierte Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden, so dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV am Tattag unzweifelhaft bestanden.
2. Die Einwendungen der Revision gegen die vom Landgericht vorgenommene Subsumtion verfangen nicht. Weder die Vorschrift des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV noch seine Anwendung im konkreten Fall widersprechen dem Recht der Europäischen Union. Insbesondere verstoßen sie nicht gegen Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG (sog. 3. EG-Führerscheinrichtlinie). Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend anmerkt, schreibt diese Vorschrift zwar die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine vor. Nach dem am 19. Januar 2009 in Kraft getretenen Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. EG-Führerscheinrichtlinie, der dem Führerscheintourismus entgegenwirken soll und auf Fahrerlaubnisse anwendbar ist, die nach dem 19. Januar 2009 ausgestellt worden sind, lehnt ein Mitgliedstaat jedoch die Anerkennung der Gültigkeit eines solchen Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt worden ist, deren Fahrerlaubnis eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist. Das ist hier der Fall, denn der Angeklagte führte ein Kraftfahrzeug, als ihm aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. Februar 2012 keine Fahrerlaubnis erteilt werden durfte. Denn gegen ihn war eine isolierte Sperrfrist (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) festgesetzt worden (vgl. OLG Köln NJW 2010, 2817 [nahezu identischer Sachve...