Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.05.2014; Aktenzeichen (506) 231 Js 189/13 (13/13)) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluss der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeschuldigten mit ihrer Anklageschrift vom 22. März 2013 zur Last, in der Zeit von Oktober 2009 bis Dezember 2012 einem anderen - nämlich den (nicht ermittelten) Betreibern der Internetseite www.nw-b.xx - vorsätzlich Hilfe zu deren Straftaten (der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Volksverhetzung, Beleidigung und üblen Nachrede sowie mehrerer Vergehen gegen das Kunsturhebergesetz) geleistet zu haben.
1. Dem Angeklagten, der sich ausweislich des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen als selbstständiger Programmierer, Softwareberater und -entwickler bezeichnet, dessen Tätigkeit nach der Wertung der Staatsanwaltschaft aber lediglich im Betreiben eines Internetversandhandels und dem Web-Hosting besteht, wird zur Last gelegt, den Betreibern von www.nw-b.xx einen von ihm bei der Firma "Dr." in den USA angemieteten Webserver zur Verfügung gestellt zu haben, sodass diese die genannte Seite von diesem Server aus ins Internet stellen konnten. Die in Rede stehenden, insgesamt elf Straftaten seien in der Zeit zwischen dem 5. Oktober 2009 und dem 26. Dezember 2011 durch die Veröffentlichung von Texten bzw. Bildern auf www.nw-b.xx begangen worden. Der Angeschuldigte habe schließlich im Dezember 2012, nachdem ihm mit am 21. Dezember 2012 zugegangener Verfügung der Staatsanwaltschaft in der vorliegenden Sache der Tatvorwurf eröffnet worden war, die Abschaltung dieser Seite veranlasst. Der in der rechten Szene in D. an exponierter Stelle aktive Angeschuldigte habe um die politische und agitatorische Ausrichtung von www.nw-b.xx gewusst. Er habe auch gewusst, dass es "aufgrund dieser Ausrichtung typischerweise zu derartigen strafrechtlich relevanten Veröffentlichungen kommt" und dies zumindest billigend in Kauf genommen.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei zwar anzunehmen, dass dem Angeschuldigten hinsichtlich der konkreten Inhalte auf www.nw-b.xx eine positive Kenntnis im Sinne des § 10 TMG, die "eine täterschaftliche Haftung als Host-Provider der Seite auslösen würde", nicht nachzuweisen sei. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gehilfe sei hierdurch aber nicht ausgeschlossen. Ihre Schlussfolgerung, der Angeschuldigte habe gewusst, dass auf www.nw-b.xx strafbare Inhalte eingestellt seien, stützt die Staatsanwaltschaft auf folgende Erwägungen:
Es sei bereits allgemein bekannt, dass die auf www.nw-b.xx veröffentlichten sog. "Feindeslisten" (mit Bildern, Namen und Adressen politischer Gegner) zum "guten Ton" vieler dem extremistischen Lager zuzuordnender Internetseiten gehörten. Dieser Umstand dürfe dem Angeschuldigten umso mehr bekannt gewesen sein, als er es sich zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht habe, Web-Speicher für Internetauftritte der rechten Szene zur Verfügung zu stellen. So habe er mehr als 70 Internetseiten lokaler rechtsextremistischer Gruppen, die überdies untereinander oder mit auf anderen Servern liegenden "gleichgesinnten" Seiten verlinkt seien, gehostet. Diese Seiten zeigten zudem hinsichtlich des Layouts und der Inhalte deutliche Übereinstimmungen, und es könne davon ausgegangen werden, dass das Layout mehrerer vom Angeschuldigten gehosteter Seiten von denselben Personen gestaltet worden sei. Einige der Seiten seien offenbar auch redaktionell miteinander verknüpft. In zumindest einem Fall sei es "im Zusammenhang mit Inhalten" auch zur Verurteilung eines Seitenbetreibers gekommen. Es sei "nicht anzunehmen, dass der Angeschuldigte hierüber keine Kenntnis hatte". Dies gelte umso mehr, als der Angeschuldigte Anfang 2010 im Zusammenhang mit seiner Internetseite www.re.yy verurteilt worden sei, weil dort ohne Einwilligung des Betroffenen dessen Abbildung eingestellt gewesen sei. Nur knapp einen Monat später sei er wegen Veröffentlichung einer urheberrechtlich geschützten Abbildung erneut verurteilt worden. Die strafrechtliche Relevanz "bestimmter - typischerweise auf den Internetseiten politisch motivierter Gruppierungen enthaltener - Veröffentlichungen (sei) dem Angeschuldigten also durchaus bewusst". Dies dürfe auch der Grund dafür sein, dass auf den Internetseiten www.wi.xx und www.infoportal-d.xx - die die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten ohne nähere Darlegung zurechnet - unter dem Slogan "Webhosting für Dissidenten" mit den Worten "Server in den USA. Wir schützen eure Anonymität" für anonymes Webhosting geworben werde. Es verstehe sich von selbst, dass ein derartiges Angebot darauf abziele, den Seitenbetreibern die anonyme Verbreitung strafre...