Leitsatz (amtlich)
Soweit es um Rechte des Zustellungsempfängers geht, darf die Zustellung einer im Ausland eingereichten Klage gem. Art. 13 Abs. 1 HZÜ grundsätzlich nur abgelehnt werden, wenn der rechtsmissbräuchliche Charakter der Klage von vornherein offenkundig ist - hier für einen Markenrechtsstreit in den Vereinigten Staaten verneint.
Normenkette
HZÜ Art. 13 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Antrag wird nach einem Geschäftswert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. §§ 23 ff. EGGVG zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.7.2012 ist nicht rechtswidrig i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Die Antragsgegnerin hat die unter dem 3.7.2012 ersuchte Zustellung der Klageschrift nebst gerichtlicher Anordnungen zu Recht bewilligt. Die Voraussetzungen für eine Zustellung der bei dem United States District Court ...eingereichten Klage vom ...liegen nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 (BGBl. 1977 II, 1452; im Folgenden: HZÜ) vor, das im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika gilt (Bekanntmachung vom 23.6.1980, BGBl. II, 907).
Die Klage der in ...ansässigen X., Inc. gegen die Antragstellerin ist eine Zivil- oder Handelssache i.S.v. Art. 1 Abs. 1 HZÜ. Auch soweit die Klägerin Strafschadensersatz (u.a. in dreifacher Höhe, treble damages) verlangt, handelt es sich um einen zivilrechtlichen Zahlungsanspruch und nicht um eine Kriminalstrafe (vgl. BGH NJW 1992, 3096, 3102; KG OLGZ 1994, 587, 588 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2010, 573, 574; OLG Frankfurt, NJOZ 2006, 3575, 3578). Die formalen Voraussetzungen nach Artt. 2 ff. HZÜ, der Bekanntmachung vom 21.6.1979 (BGBl. II, 779) und dem Ausführungsgesetz i.d.F. vom 10.12.2008 (BGBl. 1977 I, 3105; 2008 I, 2399) sind erfüllt. Die Erledigung des Zustellungsantrags ist auch nicht gem. Art. 13 Abs. 1 HZÜ abzulehnen; sie ist nicht geeignet, die Hoheitsrechte oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
Der Vorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ ist eng auszulegen und unterliegt insbesondere einem wesentlich strengeren Maßstab als die öffentliche Ordnung (ordre public) i.S.v. Art. 6 EGBGB oder §§ 328 Abs. 1 Nr. 4, 723 Abs. 2 S. 2 ZPO. Soweit es um Rechte des Zustellungsempfängers geht, darf die Erledigung des Ersuchens nur verweigert werden, wenn bereits durch die Zustellung die Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staats besonders schwer beeinträchtigt würden (vgl. BVerfG NJW 1995, 649; KG OLGZ 1994, 587, 590 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2010, 573, 575; OLG Frankfurt, NJOZ 2006, 3575, 3582 f.). Das folgt aus dem Wortlaut des Vorbehalts und dem Zweck des Übereinkommens, wonach Schriftstücke, die im Ausland zuzustellen sind, ihrem Empfänger rechtzeitig zur Kenntnis gelangen sollen und die gegenseitige Rechtshilfe verbessert werden soll, indem das Verfahren vereinfacht und beschleunigt wird. Würden die Grundsätze der innerstaatlichen Rechtsordnung zum Prüfungsmaßstab für die Zustellung gemacht, würde der internationale Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigt. Zum einen könnte die Prüfung der Klage auf ihre Vereinbarkeit mit dem innerstaatlichen ordre public zu großen Verzögerungen bei der Zustellung führen. Zum anderen käme sie einer Erstreckung der inländischen Rechtsvorstellungen auf das Ausland gleich und würde dem Ziel zuwiderlaufen, dem ausländischen Kläger die Führung eines Prozesses gegen einen inländischen Beklagten im Ausland zu ermöglichen. Die Bundesrepublik Deutschland schützt den Bürger, der sich im internationalen Rechtsverkehr bewegt, nicht vor der Verantwortlichkeit in einer fremden Rechtsordnung. Vielmehr unterstützt der Staat - verfassungsrechtlich unbedenklich - die Durchsetzung des ausländischen Regelungsanspruchs auch gegen eigene Staatsbürger und in der Erwartung einer gegenseitig gewährten Rechtshilfe (BVerfG, IPRax 2009, 249; NJW 2007, 3709; 1995, 649).
Durch die ersuchte Zustellung werden die Wertungsgrundlagen der deutschen Rechtsordnung nicht in besonders schwerem Maß beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung kommt nur in Betracht, wenn das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verstößt. Das könnte der Fall sein, wenn der rechtsmissbräuchliche Charakter der zuzustellenden Klage von vornherein offenkundig ist (vgl. zuletzt BVerfG, IPRax 2009, 253, 255). Ein evidenter Rechtsmissbrauch durch die Klageerhebung und ihre Zustellung in Deutschland liegt hier aber nicht vor.
Dass der Gegenstand der Klage vor dem United States District Court teilweise mit dem Streitgegenstand des Rechtsstreits übereinstimmt, den die X., Inc. im Inland gegen die Antragstellerin führt (...), begründet keinen Rechtsmissbrauch. Es ist nicht ...