Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat neigt dazu, eine Untätigkeitsbeschwerde auch nach Einführung der §§ 198 ff. GVG ausnahmsweise als statthaft anzusehen, wenn ein weiteres Hinausschieben der Entscheidung (hier: Fortdauer der Sicherungsverwahrung gemäß § 67d Abs. 3 StGB) zu einer durch finanzielle Kompensation nicht auszugleichenden Verletzung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG führt.
2. Andere Rechtsschutzmöglichkeiten müssen zuvor ausgeschöpft worden sein.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 590 StVK 369/13) |
Tenor
Die (Untätigkeits-) Beschwerde des Verurteilten vom 28. April 2015 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer befindet sich in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Gegenstand des Verfahrens ist die Prüfung und Entscheidung, ob die angeordnete Sicherungsverwahrung gemäß § 67d Abs. 3 StGB fortzudauern hat. Mit seiner Untätigkeitsbeschwerde vom 28. April 2015 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die zögerliche und aus seiner Sicht rechtsstaatswidrige Behandlung des Verfahrens der Strafvollstreckungskammer. Im Einzelnen:
Das Landgericht Berlin verurteilte den erheblich vorbestraften Beschwerdeführer am 25. Juni 1998 wegen gefährlicher Körperverletzung (Tatzeit 23. Dezember 1997) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und ordnete die anschließende Sicherungsverwahrung an.
Die Freiheitsstrafe war am 22. Dezember 2000 vollständig verbüßt. Seit dem Folgetag wurde auf Grundlage des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 19. Oktober 2000 gemäß § 67c StGB die Sicherungsverwahrung gegen den Beschwerdeführer vollzogen. Danach ordneten die Strafvollstreckungskammern zunächst jeweils rechtskräftig - zuletzt mit Beschluss vom 18. Januar 2013 - die Fortdauer der Sicherungsverwahrung an. Auf die Beschwerde des Sicherungsverwahrten hob der Senat durch Beschluss vom 12. Mai 2014 - 2 Ws 112/14 - die folgende Fortdauerentscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 19. Februar 2014 auf, da entgegen § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO versäumt worden war, ein (ergänzendes) Sachverständigengutachten einzuholen.
Nach Eingang des Gutachtens fand am 20. Februar 2015 ein Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer zur Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung statt. Eine Entscheidung der Kammer erging darauf - auch nach ergänzender Stellungnahme des Verteidigers vom 22. Februar 2015 und an die Beschlussfassung erinnernder Schreiben vom 13. und 25. März 2015 - zunächst nicht. Mit Schriftsatz vom 16. April 2015 erhob der Verteidiger gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin vor allem im Hinblick auf die eingetretenen Verzögerungen "Einwendungen gegen die Zulässigkeit der weiteren Vollstreckung" beantragte "zumindest die Unterbrechung des weiteren Vollzugs". Diesen Antrag lehnte die Staatsanwaltschaft Berlin mit Schreiben vom 24. April 2015 ab und legte den Antrag der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung vor.
Mit Schriftsätzen vom 28. April 2015, beim Landgericht am selben Tag per Fax eingegangen, hat der Verteidiger die Verzögerungsrüge und die gegenständliche Untätigkeitsbeschwerde erhoben.
Erst danach gelangte ein Beschluss der Kammer zum Vollstreckungsheft, mit dem sie die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Wann dieser Beschluss erlassen wurde, ist ungewiss. Zwar wird in der Entscheidung ausgeführt, dass die Kammer die Fortdauer am "1. April 2015" beschlossen hat. Doch weisen allein schon die Daten zwei sich auf den Beschluss beziehender Verfügungen des Vorsitzenden (30. April und 6. Mai 2015) auf einen späteren Zeitpunkt hin. Zudem enthält die Verfügung vom 6. Mai 2015 unter Punkt 2. den Passus: "Anliegenden Beschluss (nach Unterschrift B.) in der erforderlichen Stückzahl ausfertigen und je eine (1) Leseabschrift erstellen." Gerade der Hinweis auf die noch fehlende Unterschrift belegt, dass der Beschluss tatsächlich erst am 6. Mai 2015 gefasst wurde, zumal die mit "Sofort!" überschriebene Verfügung auch erst an diesem Tag ausgeführt worden ist.
II.
Mit seiner am 28. April 2015 - und damit vor Erlass des Beschlusses - erhobenen Untätigkeitsbeschwerde macht der Sicherungsverwahrte erhebliche Verfahrensverzögerungen geltend und forderte auf Grundlage dessen zunächst eine Unterbrechung der laufenden Vollstreckung.
1. Soweit der Beschwerdeführer eine zögerliche Führung des Verfahrens beanstandet, ist ihm beizupflichten. Dazu nur das Folgende:
Nachdem die letzte rechtskräftige Fortdauerentscheidung am 18. Januar 2013 getroffen und der nachfolgende Fortdauerbeschluss vom 19. Februar 2014 durch Beschluss des Senats vom 12. Mai 2014 aufgehoben worden war (s.o.), hätte seitens der Strafvollstreckungskammer Anlass bestanden, das Verfahren mit besonderer Eile zu betreiben, zumal vorliegend - worauf der Verteidiger zu Recht hinweist - gemäß § 67e Abs. 2 StGB nach mehr als zehn Jahren der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die Fortdauer der Unterbringung nach jeweils (maximal) neun...