Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 27.07.2012; Aktenzeichen (432 Ds) 285 Js 4970/11 (86/12) Jug) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin - Jugendrichter - vom 27. Juli 2012 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des Diebstahls in zwei Fällen schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Jugendrichterabteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - Jugendrichter - hat den bis zum Urteilserlass nicht verteidigten Angeklagten am 27. Juli 2012 des "gemeinschaftlichen Diebstahls in zwei Fällen" schuldig gesprochen und gegen ihn wegen schädlicher Neigungen eine Jugendstrafe von sechs Monaten verhängt. Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung wurde für die Dauer von sechs Monaten zurückgestellt.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang (vorläufigen) Erfolg.
1. Im Übrigen ist das Rechtsmittel mit der Maßgabe im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, dass die gemeinschaftliche Begehungsweise der festgestellten Diebstähle (§ 25 Abs. 2 StGB) in der Urteilsformel nicht aufgeführt wird.
a) Anders als die Teilnahmeform (Anstiftung, Beihilfe) ist im Entscheidungstenor nicht mitzuteilen, ob der Angeklagte als Allein- oder Mittäter gehandelt hat, da dies für die Kennzeichnung des begangenen Unrechts - Zweck der Urteilsformel (neben der Mitteilung der richterlich verhängten Rechtsfolgen) - ohne Bedeutung ist und die gemeinschaftliche Tatbegehung im Verhältnis zur Alleintäterschaft kein eigenes Unrecht darstellt (vgl. BGHSt 27, 287; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 260 Rn. 24 m.w.N.). Der Senat hat den Schuldspruch daher insoweit klargestellt.
b) Die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, mit der er die Verletzung des § 68 Nr. 1 JGG in Verbindung mit § 140 Abs. 2 StPO geltend macht, hat keinen Erfolg.
aa) Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zutreffend ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Rüge zulässig erhoben ist, "obwohl die Revision verschweigt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht einen Dolmetscher hatte, und dass die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bereits nur eine Verhängung einer sechsmonatigen Jugendstrafe beantragte, mithin nicht ersichtlich ist, dass die Verhängung einer höheren Jugendstrafe gedroht hätte."
bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Hauptverhandlung hat nicht in vorschriftswidriger Abwesenheit eines Verteidigers stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO), denn die Voraussetzungen, unter denen dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger hätte bestellt werden müssen, lagen nicht vor. Nach § 68 Nr. 1 JGG ist dem jugendlichen Angeklagten ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre. Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung im Jugendstrafverfahren gelten daher zunächst die Grundsätze, die auch bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafverfahren gegen Erwachsene gelten. Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO nicht vor, ist gemäß § 140 Abs. 2 StPO die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung und die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich, wenn wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 68 Nr. 1 JGG nicht lediglich als Verweis auf den Wortlaut des § 140 Abs. 2 StPO selbst zu verstehen. Wäre dies Intention des Gesetzgebers gewesen, hätte er den Text des § 68 Nr. 1 JGG entsprechend gefasst und § 140 StPO ausdrücklich in Bezug genommen. In § 68 Nr. 1 JGG wird vielmehr hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung uneingeschränkt auf das allgemeine Strafrecht verwiesen. Die zur näheren Konkretisierung und Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 140 Abs. 2 StPO im Erwachsenenrecht ergangene Rechtsprechung findet daher auch im Jugendstrafrecht Anwendung; den Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens ist jedoch Rechnung zu tragen.
Für die Gewichtung des Tatvorwurfs ist folglich auch im Jugendstrafrecht maßgeblich auf die zu erwartende Rechtsfolgenentscheidung abzustellen. Zu berücksichtigen sind aber auch die Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten sowie sonstige schwerwiegende Nachteile, die er infolge der Verurteilung zu gewärtigen hat (vgl. OLG Saarbrücken, StV 2007, 9; OLG Köln, StraFo 2003, 420 jeweils m.w.N.). Die Schwere der Tat gebietet danach die...