Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Gebührenbefreiung einer Gemeinde bei einem Anwaltsregress

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein "wirtschaftliches Unternehmen" einer Gemeinde des Landes Brandenburg i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 JGebBefrG Bln ist schon dann zu bejahen, wenn die Betätigung des Unternehmens ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte. Es kommt nicht darauf an, ob im jeweiligen Einzelfall gerade das in Rede stehende Unternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung tätig ist.

2. Nimmt eine Gemeinde des Landes Brandenburg Rechtsanwälte wegen einer fehlerhaften Rechtsberatung (im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile ihrer Bau- und Wohnungsgesellschaft mbH an einen privaten Investor) gerichtlich in Anspruch, ist sie insoweit nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 JGebBefrG Bln gebührenbefreit.

 

Normenkette

JGebBefrG Bln § 1 Abs. 1 Nr. 2; GKG § 2 Abs. 3 S. 2; KV-GKG Nr. 1210

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 14.05.2012; Aktenzeichen 82 AR 77/12)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des LG Berlin vom 14.5.2012 - 82 AR 77/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die gem. § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde (betreffend die landgerichtliche Zurückweisung der Erinnerung der klagenden kreisfreien Stadt gegen den Ansatz von Gerichtskosten für den von ihr geführten Rechtsstreit wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen beim Verkauf ihrer Anteile - 100 % - an einer Bau- und Wohnungsgesellschaft mbH) ist nicht begründet.

Die Höhe der angesetzten Gerichtsgebühr gem. Nr. 1210 KV-GKG wird nicht beanstandet. Zu Recht hat das LG in der angefochtenen Entscheidung eine Gebührenfreiheit der Klägerin gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 JGebBefrG Bln i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 2 GKG verneint.

Nach der genannten Berliner Vorschrift sind Gemeinden von der Zahlung der Gebühren, welche die ordentlichen Gerichte in Zivilsachen erheben, befreit, soweit die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Der hier von der klagenden kreisfreien Stadt (die gemäß

§ 2 Abs. 2 Gemeindeordnung des Landes Brandenburg ihre Aufgaben als Gemeinde ausführt) geführte Rechtsstreit betrifft die Angelegenheit eines ihrer wirtschaftlichen Unternehmen.

1. Die B.- und W.mbH A.war ein "wirtschaftliches Unternehmen" im Sinne der vorgenannten Gebührenbefreiungsvorschrift.

a) Der Begriff der "wirtschaftlichen Unternehmen" ist im Gebührenbefreiungsgesetz nicht legal definiert. Er ist nach den Vorschriften des Kommunalrechts zu beurteilen (BGH, Beschl. v. 20.4.2010 - VI ZB 70/09, juris Rz. 11).

Gemäß § 100 Abs. 1 Gemeindeordnung für das Land Brandenburg ist eine wirtschaftliche Betätigung "das Herstellen, Anbieten oder Verteilen von Gütern, Dienstleistungen oder vergleichbaren Leistungen, die ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnten".

Vorliegend befasste sich die B.- und W.mbH A.mit der Sanierung und Instandsetzung von Wohnungen sowie der anschließenden Vermietung der Wohnungen. Diese Dienstleistungen können ihrer Art nach ohne weiteres mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden. Vielfach ist dies im Wirtschaftsleben auch der Fall. Ob im jeweiligen Einzelfall gerade das in Rede stehende Unternehmen seine Dienstleistungen mit der Absicht der Gewinnerzielung erbringt, ist nach dem klaren Wortlaut der Gebührenbefreiungsvorschrift unerheblich. Es kommt allein darauf an, ob derartige Dienstleistungen "ihrer Art nach" auf dem jeweiligen Markt auch mit einer Gewinnerzielungsabsicht erbracht werden "könnten".

Eine Einschränkung dieses weiten Begriffs eines wirtschaftlichen Unternehmens (etwa durch Formulierung eines Ausnahmekataloges oder einer Ausnahme von Unternehmen, deren Betrieb gesetzlich vorgeschriebenen ist oder die sich überwiegend gemeinnützig betätigen) enthalten weder § 100 noch die übrigen Vorschriften der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg (anders etwa nach den Vorschriften des Kommunalrechts für Nordrhein-Westfalen, vgl. OLG Köln, FGPrax 2007, 92, juris Rz. 9).

Auch Sinn und Zweck der Ausschlussregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 JGebBefrG Bln belegen diese Auslegung. Denn mit einer wirtschaftlichen Betätigung auf dem Markt für Dienstleistungen, die ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden können, tritt die Gemeinde unmittelbar in eine Konkurrenz zu privaten Unternehmen. Es wäre insoweit nicht gerechtfertigt, der Gemeinde kostenrechtlich einen Wettbewerbsvorteil einzuräumen. Zudem soll durch die Kostenbefreiung (im Ausgangspunkt) vermieden werden, dass öffentliche Gelder von Städten und Gemeinden, die aus ihnen originär zugeflossenen Abgaben oder Landesmitteln stammen, nicht für andere öffentliche Einrichtungen wie die Justizbehörden verwandt werden (vgl. BGH, MDR 1982, 399; OLG Köln, JurBüro 2008, 97; OLG Naumburg, Gemeindehaushalt 2011, 21, juris Rz. 22). Sind von einer Gemeinde geführte wirtschaftliche Unternehm...

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