Leitsatz (amtlich)

Soweit ein Strafgefangener die Fortsetzung einer "Langzeitsprechstunde" mit einer neuen Partnerin begehrt, stellt die abschlägige Entscheidung der Anstalt keinen - nur nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 StVollzG möglichen - Widerruf, sondern eine vollständige Neubescheidung dar.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 03.02.2006; Aktenzeichen 544 StVK 1016/05 Vollz)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 3. Februar 2006 wird als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) der Justizvollzugsanstalt Tegel eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und sexueller Nötigung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen versuchter Nötigung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Mai 1998. Als voraussichtliches Strafende ist der 2. Januar 2007 vorgesehen. Danach ist die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung vermerkt. Das Landgericht hatte bei dem Antragsteller, der die Taten nur kurz nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, Körperverletzung und räuberischer Erpressung begangen hatte, eine "deviante Sexualität mit sadistischen Zügen" festgestellt.

Am 24. September 2005 beantragte er die Gewährung der unüberwachten Langzeitsprechstunde für seine Lebenspartnerin J... H..., die er im Oktober 2002 in der Justizvollzugsanstalt Tegel kennengelernt hatte, als sie einen anderen Inhaftierten besuchte. Mit schriftlichem Bescheid vom 22. November 2005 lehnte der Anstaltsleiter diesen Antrag ab. Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung ab. Auf die dort wiedergegebenen Rechtsansichten des Antragstellers und der Vollzugsbehörde verweist der Senat. Mit der Rechtsbeschwerde erhebt der Gefangene die Sachrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG für ihre Zulassung nicht erfüllt. Es ist nicht geboten, das Rechtsmittel zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht gefährdet. Die Strafvollstreckungskammer hat die zum Langzeitbesuch vorhandene Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben und angewendet.

1.

Zur Fortbildung des Rechts ist die Zulassung allein dann geboten, wenn der Einzelfall Anlaß gibt, bei der Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen (vgl. BGHSt 24, 15, 21; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 116 Rdn. 2 mit weit. Nachw.). Derartige klärungsbedürftige Rechtsfragen deckt die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht auf. Die zugrunde liegenden Rechtsfragen sind obergerichtlich geklärt. Der Gefangene hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer unüberwachten Langzeitsprechstunde. Sondern ihm steht nur ein Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie - durch die Sollbestimmung des § 24 Abs. 2 StVollzG eingeschränkte - Ermessensentscheidung zu (vgl. BVerfG NStZ-RR 2001, 253; HansOLG Hamburg ZfStrVO 2005, 55; OLG Stuttgart ZfStrVO 2004, 51 = NStZ-RR 2004, 60 = StraFO 2004, 107; OLG Hamm ZfStrVO 1999, 308 und NStZ 1994, 308 bei Bungert; OLG Koblenz NStZ 1998, 398 bei Matzke; Senat, Beschlüsse vom 4. Oktober 2004 - 5 Ws 510/04 Vollz -; 21. Juni 2004 - 5 Ws 292 und 293/04 Vollz - und 30. März 2000 - 5 Ws 164/00 Vollz - Juris; Schwind in Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG 4. Aufl., § 24 Rdn. 13; Arloth in Arloth/Lückemann, StVollzG, § 24 Rdn. 5; Calliess/Müller-Dietz, § 27 StVollzG Rdn. 8 mit weit. Nachw.; a.A. für den "Zweitbesuch" OLG München NStZ 1994, 560; Calliess/Müller-Dietz, § 24 StVollzG Rdn. 4).

a)

Der Senat hat in seinem - seit kurzem in Juris veröffentlichten - Beschluß vom 30. März 2000 - 5 Ws 146/00 Vollz - ausgeführt:

Die Strafvollstreckungskammer ordnet die Langzeitsprechstunde ihrem sachlichen Inhalt nach zutreffend dem Besuchsrecht zu und berücksichtigt, daß das Besuchsrecht mehrere Abstufungen enthält.

aa)

§ 24 Abs. 1 Satz 2 StVollzG schreibt die Mindestbesuchsdauer von monatlich einer Stunde vor. Darüber hinaus sollen nach § 24 Abs. 2 StVollzG Besuche zugelassen werden, die dem Gefangenen förderlich oder für ihn zur Erledigung näher bestimmter Angelegenheiten unerläßlich sind. Dabei ist auch der Gesichtspunkt zu beachten, daß Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießen (vgl. OLG Dresden ZfStrVo 1998, 116, 117). Die Frage, ob sich die Bedeutung des § 24 Abs. 2 StVollzG in einer Empfehlung an den Anstaltsleiter erschöpft (vgl. Schwind in Schwind/Böhm, StVollzG 3. Aufl., § 24 Rdn. 13) oder dem Gefangenen bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf weitere Besuche üb...

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