Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsbefugnis von Verbraucherverbänden bei Verstößen gegen die Rücknahme- und Pfanderhebungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Antragsbefugnis von Verbraucherverbänden gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG besteht allein hinsichtlich solcher Wettbewerbsverstöße, die auch Verbraucherinteressen berühren.
2. Die Vorschriften der VerpackV über Rücknahme- und Pfanderhebungspflichten bezwecken nicht auch den Schutz der Verbraucherinteressen (Klarstellung zu KG, Beschl. v. 15.4.2005 - 5 W 48/05).
Normenkette
VerpackV § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 1; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 22.03.2005; Aktenzeichen 102 O 22/05) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 102 des LG Berlin vom 22.3.2005 - 102 O 22/05 - wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 6.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist nach seinem Vortrag ein Verein, der nach § 2 Abs. 2 seiner Satzung den Zweck verfolgt, den Natur- und Umweltschutz sowie die aufklärende Verbraucherberatung zu fördern, und mit Wirkung vom 11.10.2004 in die vom Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) eingetragen worden ist. Er macht geltend, der Antragsgegner habe gegen die Pfanderhebungspflicht gem. § 8 Abs. 1 S. 1 der Verpackungsverordnung (VerpackV) verstoßen, weil er am 1.3.2005 von einem Kunden, der in seinem Getränkeladen eine Dose mit einem Erfrischungsgetränk zur Mitnahme erwarb, kein Pfand erhoben habe. Darin liege zugleich ein Wettbewerbsverstoß i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, dessen Unterlassung er, der Antragsteller, gem. § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3 UWG verlangen könne.
Der Antragsteller verfolgt mit der sofortigen Beschwerde sein vom LG zurückgewiesenes Begehren weiter, es dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, in seiner Verkaufsstelle von seinen Kunden beim Vertrieb von Bier, Mineralwasser (einschließlich Quellwässer, Tafelwässer und Heilwässer) oder Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure in Einweg-Getränkeverpackungen kein Pfand i.H.v. 0,25 EUR einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung bei einem Füllvolumen von bis zu 1),5 Liter zu erheben.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 567 ff. ZPO zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat mit Recht angenommen, dass dem Antragsteller für den geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Getränken unter Verstoß gegen die Pfanderhebungspflicht gem. § 8 Abs. 1 S. 1 VerpackV, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG die erforderliche Anspruchsberechtigung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG fehlt. Denn die dem Antragsteller aufgrund seiner Eintragung nach § 4 UKlaG gewährte Antragsbefugnis gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist allein hinsichtlich solcher Wettbewerbsverstöße gegeben, durch die zugleich Interessen der Verbraucher berührt werden (dazu unter 1.). Dies ist bei Verstößen gegen die Pfanderhebungspflicht nach der VerpackV nicht der Fall. Deren Vorschriften dienen ausschließlich abfallwirtschaftlichen und umweltpolitischen Zielen und nicht zugleich auch dem Verbraucherschutz (dazu unter 2.). Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 15.4.2005 (KG, Beschl. v. 15.4.2005 - 5 W 48/05) eine abweichende Auffassung ergibt, wird daran nicht festgehalten. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.a) Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG stehen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG u.a. qualifizierten Einrichtungen zu, die ihre Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG nachweisen. Von der Eintragung des Antragstellers ist aufgrund der von ihm eingereichten Urkundskopien auszugehen. Weitergehende Anforderungen an die Antragsbefugnis von Verbraucherverbänden nennt § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht. Insbesondere fehlt es - anders als noch in § 13 Abs. 2 S. 3 UWG a.F. - an einer Einschränkung der Klagebefugnis von Verbraucherverbänden auf Handlungen, durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden (BGH v. 15.1.2004 - I ZR 180/01, BGHReport 2004, 674 = MDR 2004, 953 = GRUR 2004, 435 [436] - FrühlingsgeFlüge). Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG könnten Verbraucherverbände demnach berechtigt sein, auch dann Ansprüche geltend zu machen, wenn lediglich Mitbewerber von einer Wettbewerbshandlung betroffen wären (so wohl auch Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rz. 218).
b) Eine Auslegung der Vorschrift in vorstehendem Sinne wäre jedoch mit ihrem Sinn und Zweck nicht vereinbar, durch die den Verbraucherverbänden im öffentlichen Interesse verliehene Anspruchsberechtigung den kollektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten. Insbesondere ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass für einen Verbraucherverband von vornherein kein Interesse an einer Klage bestehe, soweit bei einem Wettbewerbsverstoß Belange der Verbraucher nicht berührt seien, und hat aus diesem Grund die Einschränkung auf wesentliche Belange der Verbrauch...