Leitsatz (amtlich)

Hat das Tatgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und seine Überzeugungsbildung hierauf gestützt, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer - gegebenenfalls gestrafften- zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 05.07.2010; Aktenzeichen 297 OWi 1191/09)

 

Tenor

Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 5. Juli 2010 aufgehoben.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 30. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 24a Abs. 2 und Abs. 3 StVO (zutreffend: StVG) zu einer Geldbuße von 500,00 Euro verurteilt und nach § 25 (Abs. 1) StVG ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn verhängt. Die am 28. Juni 2010 bei Gericht eingegangene Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das ihm am 26. Mai 2010 zugestellte Urteil hat das Amtsgericht als unzulässig verworfen. Sowohl der hiergegen gerichtete Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, als auch die Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, haben Erfolg.

1.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig erhoben. Insbesondere sind die Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung fristgerecht angebracht worden. Gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 S.1 StPO beträgt die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist einen Monat. Die Frist begann gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 S. 2 StPO mit der Zustellung des schriftlichen Urteils am 26. Mai 2010 zu laufen. Da das rechnerische Fristende (26. Juni 2010) auf einen Samstag fiel, endete die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist gemäß § 43 Abs. 2 StPO mit dem Ablauf des 28. Juni 2010. Durch den Eingang der formgerechten Rechtsbeschwerdebegründungsschrift an diesem Tage sind die gesetzliche Frist und die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gewahrt. Der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten war daher aufzuheben.

2.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Zwar hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Betroffene am 20. Juli 2009 um 14.27 Uhr mit seinem Lkw mit Anhänger VW, amtliches Kennzeichen XXXXXX, in 13597 Berlin, Charlottenburger Chaussee, am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl er unter der Wirkung von Cannabis (1,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 15.55 Uhr) stand, jedoch hält die der Annahme fahrlässigen Handelns zugrunde liegende Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie lückenhaft ist und dadurch dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Überprüfung nicht ermöglicht.

Zwar ist die Würdigung der Beweise grundsätzlich Sache des Tatrichters, jedoch hat das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge zu prüfen, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung unter anderem dann, wenn sie lückenhaft ist und deshalb nicht erkennen lässt, dass sie auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen - wenn auch möglicherweise schwerwiegenden - Verdacht zu begründen vermag (vgl. Senat DAR 2005, 634; KG, Beschluss vom 18. Dezember 1996 - (4) 1 Ss 199/96 (129/96) - m.w.N.; Senat, Beschluss vom 12. August 2010 - 3 Ws (B) 395/10 - ).

Hat das Tatgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und seine Überzeugungsbildung hierauf gestützt, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer - gegebenenfalls gestrafften- zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH; Urteil vom 27. Oktober 1999 -3 StR 241/99- [...], Rn. 2; Senat, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 3 Ws (B) 124/10-). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH NStZ 2000, 106, 107).

Eine im Wesentlichen auf die Mitteilung des E...

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