Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherer (VR) ist in der Vollkaskoversicherung wegen vorsätzlicher Verletzung der in den Versicherungsbedingungen vereinbarten Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers (VN) leistungsfrei (hier: Ziffer E 1.3 i.V.m. E 7.1 AKB 2008, § 28 Abs. 2 S. 1 VVG VVG n.F.), wenn sich der VN und Fahrer des Fahrzeugs nach einem Unfall mit nicht unerheblichem Fremdschaden ggü. den am Unfallort erschienenen Polizeibeamten nicht äußert und es geschehen lässt, dass sich seine zuvor zum Unfallort herbeigerufene Mutter als Fahrerin ausgibt; darin liegt eine Verletzung der in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB normierten aktiven Vorstellungspflicht.

2. Lässt der VN es sodann geschehen, dass sein Vater ggü. dem VR angibt, seine Mutter sei gefahren, liegt darin eine weitere zur Leistungsfreiheit führende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit.

3. Der VN kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, sich nicht selbst strafrechtlicher Verfolgung aussetzen zu müssen.

4. Der VN kann den gem. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG n.F., E. 7.2. AKB 2008 zulässigen Kausalitätsgegenbeweis nicht durch die Benennung von Zeugen für seine Behauptung, in seiner Fahrtauglichkeit nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, antreten.

 

Normenkette

VVG n.F. § 28; AKB 2008 Ziff. E 1.3; AKB 2008 Ziff. 7.1; AKB 2008 Ziff. 7.2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.04.2010; Aktenzeichen 42 O 332/09)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit S. ./. A.V.-AG wird der Kläger gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, seine Berufung gegen das Urteil der Zivilkammer 42 des LG Berlin vom 26.4.2010 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Wie das LG in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus § 1 VVG in Verbindung mit den Versicherungsbedingungen AKB 2008 zu.

Zwar ist sowohl das Bestehen eines Kfz-Kaskoversicherungsvertrages als auch der Eintritt des Versicherungsfalles zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ist aber - wie das LG in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat - gemäß E 7.1 AKB 2008 von der Verpflichtung zur Leistung befreit, weil der Kläger seine Aufklärungspflicht gemäß E1.3 AKB 2008 vorsätzlich verletzt hat und ihm der Kausalitätsgegenbeweis gemäß E7.2 nicht gelungen ist.

Dieses Ergebnis steht insbesondere in Übereinstimmung mit der von dem Kläger auf S. 2 der Berufungsbegründung wiedergegebenen Entscheidung des BGH vom 15.12.1982 (r+s 1983, 31, 32), denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall unterscheidet sich von dem vorliegend zu entscheidenden Fall in mehrfacher Hinsicht. So ist bereits dem Leitsatz der zitierten Entscheidung des BGH zu entnehmen, dass eine Begrenzung der vorliegend unter E1.3 AKB 2008 ausdrücklich vereinbarten Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers ggü. dem Versicherer (nur) dann in Betracht kommt, wenn er sich einerseits ohne Verstoß gegen § 142 StGB von der Unfallstelle entfernen darf (etwa weil alle Unfallbeteiligten und Geschädigten übereingekommen sind, "die Polizei aus dem Spiel zu lassen") und er sich andererseits durch eine Einschaltung der Polizei der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde (etwa wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss). Bereits diese beiden Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Denn dem Kläger ist ein Verstoß gegen § 142 StGB vorzuwerfen, da er - wie das LG auf S. 4 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat - entgegen § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB trotz eines nicht unerheblichen Fremdschadens (ein Leitpfosten abgefahren, drei Betonpfeiler umgefahren, ca. 20 m Maschendrahtzaun stark beschädigt, sechs Jungbäume beschädigt) keine Angaben über die Art seiner Beteiligung gemacht hat, weswegen das AG Mühlhausen auf Antrag der Staatsanwaltschaft auch einen Strafbefehl erlassen hat. Dass dieses Verfahren nach Einspruchseinlegung gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a StPO wegen geringer Schuld eingestellt worden ist, ändert nichts an der Erfüllung des Tatbestands des § 142 StGB durch den Kläger.

Unterstellt man die Angaben des Klägers als zutreffend, hätte er sich im Falle einer wahrheitsgemäßen Angabe der Art seiner Beteiligung auch nicht etwa der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Denn wenn er tatsächlich fahrtüchtig war (also nicht etwa unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stand), hätte er der Polizei gegenüber die Art seiner Beteiligung an dem Unfall offenbaren können, ohne eine strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen.

Desweiteren erfordert a...

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