Entscheidungsstichwort (Thema)

Schiedsverfahren nach den Regelungen der ICSID-Konvention: Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 1032 Abs. 2 ZPO, wonach bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden kann, findet in einem Schiedsverfahren nach den Regelungen der ICSID-Konvention keine Anwendung. Bei den Verfahrensregeln der ICSID-Konvention handelt es sich um ein geschlossenes Rechtssystem, neben dem keine anderen verfahrensrechtlichen Regeln Geltung beanspruchen können, vielmehr entscheidet ein nach der ICSID-Konvention angerufenes Schiedsgericht selbst abschließend über seine Zuständigkeit und die Wirksamkeit einer Schiedsabrede.(Rn. 27) (Rn. 33) (Rn. 35)

 

Normenkette

ECHVertr Art. 26; InvStreitÜbk Art. 2 Abs. 2, 4, Art. 25-26, 41, 53-54; ZPO § 1032 Abs. 2

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.07.2023; Aktenzeichen I ZB 43/22)

 

Tenor

Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens (ICSID Case Nr. ARB ...) wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert wird auf bis zu ... EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 17. August 2021 eingegangenen Antrag die Feststellung der Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens.

Mit einem Request for Arbitration vom 30. April 2021 (Anlage AS 19) leiteten die Antragsgegnerinnen ein Schiedsverfahren vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputs (ICSID) gegen die Antragstellerin ein, das nunmehr zum Aktenzeichen ICSID ARB/... anhängig ist.

Die Antragsgegnerin zu 1 und ihre Tochterunternehmen, die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3, jeweils mit Sitz in Irland, investieren im Bereich der Wind- und Solarenergie. Die Antragsgegnerin zu 2 hält 100 % der Geschäftsanteile an den Antragsgegnerinnen zu 4, 5 und 6, die wiederum in Berlin ansässige Unternehmen sind. Mit ihrer Schiedsklage machen die Antragsgegnerinnen Vertragsverletzungen der Antragstellerin nach den Artikeln 10 und 13 des Energie Charta Vertrages von 1994 (ECV, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 1994, Nr. L 380, 24 ff.) geltend, weil die geänderte Gesetzgebung in Deutschland Schäden im Zusammenhang mit in Deutschland geplanten Investitionen verursacht habe. Wegen der Einzelheiten der geltend gemachten Ansprüche wird auf das Request for Arbitration (Anlage AS 19) und das Memorial of the Merits vom 11. Februar 2022 (Anlage AS 32), mit dem die Ansprüche gegen die Antragstellerin auf ... Euro nebst Zinsen in Höhe von ... Euro beziffert werden, Bezug genommen.

Das Schiedsgericht hatte sich am 14. September 2021 mit drei Schiedsrichtern konstituiert und mit einer Zwischenentscheidung vom 18. Januar 2022 (Anlage AG 19) einen Antrag der Antragstellerin (dort Respondent) auf Zurückweisung der Schiedsklage als offensichtlich aussichtslos ("manifestly without legal merit") gemäß der Regel Nr. 41 Abs. 5 der Arbitration Rules zur ICSID-Konvention zurückgewiesen. Die Antragstellerin berief sich im Schiedsverfahren unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darauf, dass das auf der Basis von Art. 26 ECV eingeleitete Schiedsverfahren in innereuropäischen Streitigkeiten wie vorliegend zwischen einem Mitgliedstaat und Investoren eines anderen Mitgliedstaates keine Anwendung finde. Das Schiedsgericht verneinte eine offensichtliche Aussichtslosigkeit und behielt sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Antragstellerin in einem späteren Verfahrensstadium vor (vgl. Seite 34, Rn. 121 der Anlage AG 19).

Gemäß der Regelung des Art. 26 ECV besteht für einen Investor die Möglichkeit, einen anderen Staat wegen möglicher Verletzungen des ECV im Wege eines Schiedsverfahrens in Anspruch zu nehmen. Die Regelung lautet auszugsweise:

"(1) Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des Letzteren im Gebiet der Ersteren, die sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.

(2) Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat, nach Absatz 1 beigelegt werden, so kann der Investor als Streitpartei die Streitigkeit auf folgende Weise beilegen lassen:

a) ...

b) ...

c) im Einklang mit den folgenden Absätzen.

(3) a) Vorbehaltlich nur der Buchstaben b) und c) erteilt jede Vertragspartei hiermit ihre uneingeschränkte Zustimmung, eine Streitigkeit einem internationalen Schieds- oder Vergleichsverfahren in Übereinstimmung mit diesem Artikel zu unterwerfen.

b) ...

c) ...

(4) Beabsichtigt ein Investor, die Streitigkeit einer Beilegung nach Absatz 2 Buchstabe c) zu unterwerfen, so hat er ferner schriftlich seine Zustimmung zu erteilen, damit die Streitigkeit folgenden Stellen vorgelegt werden kann:

a) i) dem Internat...

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