Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Berechnung des Längenzuschlags, Verhandlungspausen
Leitsatz (redaktionell)
Während kürzere Verhandlungsunterbrechungen bei der Berechnung des Längenzuschlags außer Betracht bleiben, werden vorhersehbare längere Unterbrechungen von der Sitzungsdauer des Hauptverhandlungstags in Abzug gebracht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 06.04.2005; Aktenzeichen (533) 68 Js 155/02 KLs (59/04)) |
Gründe
I.
Rechtsanwalt ## ist dem früheren Angeklagten am 21. Juli 2004 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Im Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung hat er für die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 5. November 2004 neben der Terminsgebühr eine zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4116 VV RVG in Höhe von 108,00 EUR nebst Umsatzsteuer geltend gemacht. Die Verhandlung begann an diesem Tag um 9.10 Uhr, wurde - nach Abtrennung des Verfahrens gegen zwei Mitangeklagte - u.a. gegen den Angeklagten um 9.35 Uhr bis 13.00 Uhr unterbrochen und sodann von 13.05 Uhr bis 14.15 Uhr fortgesetzt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat diese Zusatzgebühr nicht anerkannt, da die Hauptverhandlung nicht über fünf Stunden gedauert, sondern nur in den vorerwähnten Zeiträumen stattgefunden habe. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Rechtsanwalts hat das Landgericht, nach Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf die Kammer gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG, mit dem angefochtenen Beschluss verworfen. Die vom Landgericht gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassene, fristgemäß eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.
II.
1. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Rechtsanwalt die zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4116 VV RVG für den Hauptverhandlungstermin am 5. November 2004 nicht zusteht.
Nach der (amtlichen) Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Für die Fälle, in denen sich der Aufruf der Sache verzögert, hat der Senat bereits entschieden (vgl. Beschluss vom 8. November 2005 - 4 Ws 127/05 - m.w.Nachw.), dass maßgebend für die Stundenberechnung der anberaumte Hauptverhandlungstermin ist, wenn der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt anwesend ist. Denn nur dieses Verständnis der Vorbemerkung ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck, den besonderen Zeitaufwand eines gerichtlich bestellten Rechtsanwalts für seine anwaltliche Tätigkeit angemessen zu honorieren (vgl. BT- Drucks. 15/9171, S. 224 zu Nr. 4110), sachgerecht. Ausgehend von diesem Gesetzeszweck und dem in der Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG enthaltenen Rechtsgedanken, wonach der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann erhält, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, ist es auch sachlich geboten, Pausen der Hauptverhandlung, die von dem Rechtsanwalt nicht sinnvoll anderweitig nutzbar sind, ihm nicht zum gebührenrechtlichen Nachteil gereichen zu lassen (vgl. KG StV 2006, 198, 199 f; OLG Bamberg, Beschluss vom 13. September 2005 - Ws 676/05 - und OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 2006 - 1 Ws 61/06 -, jeweils bei www.burhoff.de zu Nr. 4110 VV RVG; OLG Stuttgart StV 2006, 200 f; Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt l Rdnr. 64; Burhoff, RVG, Vorbemerkung 4 Rdnr. 63 und Nr. 4110 VV Rdnrn. 6, 8 ff; Hartmann, VV 4110, 4111 Rdnr. 1). Kürzere Unterbrechungen sind deshalb, auch um eine "kleinliche Handhabung" der Vorschrift zu vermeiden (vgl. OLG Bamberg aaO) , bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung nicht in Abzug zu bringen (vgl. OLG Bamberg aaO; OLG Koblenz aaO; OLG Stuttgart aaO) . Mit diesen Fällen ist der hier vorliegende Sachverhalt jedoch nicht zu vergleichen.
Um eine (kürzere) Pause, in der der Rechtsanwalt - wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt - gleichsam weiterhin "auf Abruf" für die Hauptverhandlung stehen musste, durch die Sache in Anspruch genommen und an der Wahrnehmung seiner übrigen Geschäfte gehindert war, handelte es sich im vorliegenden Fall gerade nicht. Denn die Dauer der Pause war durch die auf 13.00 Uhr bestimmte Fortsetzung der Hauptverhandlung von vornherein eindeutig bestimmt. Es bestand für den Beschwerdeführer keine Veranlassung, sich in der Zwischenzeit für die Hauptverhandlung in irgendeiner Weise bereit zu halten. Hierzu hat er auch nichts vorgetragen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ab welcher Länge einer Sitzungspause der Rechtsanwalt diese sinnvoll für andere Tätigkeiten nutzen kann. Denn dies hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (vgl. OLG Koblenz aaO; OLG Stuttgart aaO). Jedenfalls die hier drei Stunden und 25 Minuten dauernde Unterbrechung war lang genug, um dem Beschwerdeführer die Wahrnehmung anderer Geschäfte, etwa im Landgericht, im Amtsgericht Tiergarten oder der Justizvollzugsanstalt Moabit tatsächlich und in sinnvoller Weise zu ermöglichen. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ferner da...