Leitsatz (amtlich)
1. Zur Überprüfung der Übermittlung personenbezogener Daten durch die Staatsanwaltschaft an das Kraftfahrt-Bundesamt.
2. Die Durchführung eines (Vorschalt-) Beschwerdeverfahrens nach § 24 Abs. 2 EGGVG ist bei Mitteilungen der Staatsanwaltschaft an das Kraftfahrt-Bundesamt nicht erforderlich, da diese keine Entscheidung oder Anordnung der Vollstreckungsbehörde darstellen.
3. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 EGGVG beschränkt sich nicht auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, sondern erstreckt sich auch darauf, ob die Mitteilung überhaupt erfolgen durfte.
4. Zum Begriff des "Verkehrsunfalls" in § 59 Abs. 1 Nr. 3 FeV.
5. Es ist fraglich, ob in § 59 Abs. 1 FeV aufgeführte Daten, die sich nicht aus der rechtskräftigen Entscheidung selbst ergeben, an das Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilt werden dürfen. Jedenfalls dürfen Daten aus Unterlagen außerhalb der rechtskräftigen Entscheidung nicht ungeprüft und ohne Abgleich mit dem weiteren Akteninhalt mitgeteilt werden.
Normenkette
FeV § 59 Abs. 1; StGB § 28 Abs. 3; StVG § 28 Abs. 4; GVGEG § 22 Abs. 1
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die aufgrund der Verfügung der Staatsanwaltschaft Berlin vom 15. Mai 2014 durchgeführte Datenübermittlung an das Kraftfahrt-Bundesamt insoweit rechtswidrig ist, als sie die Mitteilung "Verkehrsunfall" umfasst.
2. Die Landeskasse Berlin hat die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Der Geschäftswert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Antragsteller in dem Verfahren (295 Cs) 3031 Js 1700/14 (74/14) mit Strafbefehl vom 7. April 2014, rechtskräftig seit dem 6. Mai 2014, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Daneben hat es dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von neun Monaten für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt. In dem Strafbefehl wird zum Tatvorwurf ausgeführt, der Antragsteller habe am 1. Februar 2014 gegen 1.24 Uhr in B. im Zustand der alkoholbedingten Fahruntauglichkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,74 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X zurzeit der Blutentnahme um 3.16 Uhr mit dem Pkw R., amtliches Kennzeichen xx, das Parkhaus xx befahren; er habe seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei gehöriger Selbstprüfung erkennen können und müssen.
Mit Verfügung des Rechtspflegers vom 15. Mai 2014, die am 19. Mai 2014 ausgeführt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Berlin als Vollstreckungsbehörde dem Kraftfahrt-Bundesamt neben weiteren im formalisierten Mitteilungsverfahren vorgesehenen Informationen - Entscheidungsdatum, Straftatbestand, Tatzeit, Rechtsfolgen und Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis - durch Ankreuzen der Rubrik "Verkehrsunfall" mitgeteilt, dass die Tat im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall stehe. Nachdem der Antragsteller durch eine von ihm eingeholte Auskunft aus dem Fahreignungsregister Kenntnis von dieser Mitteilung erlangt hatte, bat er die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 - eingegangen am 28. Oktober 2014 - um Korrektur der Angabe "Verkehrsunfall", da es nicht zutreffe, dass die Straftat mit einem Verkehrsunfall verbunden gewesen sei. Der Rechtspfleger teilte daraufhin mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 mit, dass es sich um einen Verkehrsunfall gehandelt habe, und verwies zur Begründung auf den Polizeibericht vom 1. Februar 2014. Der mit "VU-Anzeige" überschriebene Bericht weist als Erfassungsgrund einen Verkehrsunfall mit Sachschaden unter Einfluss berauschender Mittel sowie unerlaubtes Entfernen vom Unfallort aus. Zum Sachverhalt wird ausgeführt, die Zeugin Kr. habe über Videokameras beobachtet, wie der R. xx zu der genannten Tatzeit von einem älteren Herrn aus einer Parklücke des Parkhauses rückwärts ausgeparkt worden, dabei geräuschvoll gegen einen Poller am Ausgang des Parkhauses gestoßen und dann vorwärts in Richtung Ausfahrt gefahren sei. Der Fahrer sei vor dem Verlassen des Parkhauses, als er zur Betätigung des Informationsknopfes an der Schranke ausgestiegen sei, zu Boden gefallen und habe bei dem anschließenden Telefonkontakt mit der Zeugin Kr. lallend gesprochen. Eine Begehung des Parkhauses habe ergeben, dass am Poller diverse Spuren sichtbar seien, jedoch kein Schaden feststellbar sei. Das von dem Antragsteller geführte Tatfahrzeug sei in der Nähe der Halteradresse festgestellt worden. Als "behaupteter Schaden" ist eine Beschädigung am Rücklicht (des Tatfahrzeugs) mit einer Schadenshöhe von 50 Euro in dem Bericht vermerkt.
Unter dem 4. November 2014 bat der Antragsteller erneut um Korrektur der Eintragung im Fahreignungsregister. Bei dem übersandten Schreiben handele es sich lediglich um die Aufnahme einer Anzeige und Aussagen von Dritten. Ein Schaden sei nicht festgestellt worden. Gegenstand des Urteils sei daher auch eine Trunkenheitsfahrt ohne Unfall und ohne den Tatbestand des un...