Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe und nachträglicher Vermögenserwerb
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt eine Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt war, innerhalb von 48 Monaten ab Bewilligung Vermögen, so hat sie dieses zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen. Erwirbt sie dieses Vermögen nachträglich im Vergleichsweg als Abgeltung für Unterhaltsansprüche, ist es in dem Umfang für die Erstattung der Prozesskosten einzusetzen, als es im Fall einer rechtzeitigen Zahlung für die Bestreitung der Prozesskosten heranzuziehen gewesen wäre.
§ 120 Abs. 4 ZPO.
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 27.07.2008; Aktenzeichen 18 F 5868/04) |
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 30.05.2008; Aktenzeichen 18 F 4111/05) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin werden die Beschlüsse der Rechtspflegerin des AG Pankow-Weißensee vom 2.7.2008 (18 F 5868/04; Ehescheidung) und vom 30.5.2008 (18 F 4111/05; Trennungsunterhalt) bei Zurückweisung der weitergehenden Beschwerden abgeändert:
Es wird angeordnet, dass die Antragsgegnerin die für sie in dem Ehescheidungsverfahren - 18 F 5868/04 AG Pankow-Weißensee - und in dem Trennungsunterhaltsverfahren - 18 F 4111/05 AG Pankow-Weißensee - im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe verauslagten Gerichts- und Anwaltskosten am 15.1.2009 zu erstatten hat.
Die Gebühr für die Beschwerdeverfahren wird auf je 25 EUR herabgesetzt.
Gründe
Durch die angefochtenen Beschlüsse vom 2.7.2008 und vom 30.5.2008, auf die Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Prozesskostenhilfebewilligung für die Antragsgegnerin für das Ehescheidungsverfahren (einschließlich der Folgesachen) und für das Trennungsunterhaltsverfahren aufgehoben, weil ihr aus dem Vergleich vom 6.9.2007 in dem Verfahren 18 F 4111/05 des AG Pankow-Weißensee (Trennungsunterhalt) ein Betrag von 32.500 EUR zugeflossen ist bzw. (wegen 4.000 EUR, fällig am 31. 12.08 und wegen restlicher 4.500 EUR nebst Zinsen) bis zum 31.3.2009 zugeflossen sein wird.
Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Antragsgegnerin haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 115 ZPO hat die Partei grundsätzlich ihr gesamtes Einkommen (Abs. 1) und ihr Vermögen (Abs. 3), soweit dieses das Schonvermögen übersteigt, für die Prozesskosten einzusetzen. Die bedürftige Partei ist regelmäßig weiter verpflichtet, einen angemessenen Teil des ihr zufließenden Kapitals zurückzuhalten, wenn ihr bekannt ist, dass Kosten für einen Rechtsstreit anfallen können. Das gilt auch, wenn der Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, diese Entscheidung nach
§ 120 Abs. 4 ZPO infolge einer Veränderung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse aber noch rückgängig gemacht werden kann.
Führt eine Partei in Kenntnis eines bevorstehenden Prozesses ihre Bedürftigkeit mutwillig herbei, so kann ihr Prozesskostenhilfe verweigert werden. Ebenso kann einer Partei im Rahmen einer Abänderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO Vermögen zugerechnet werden, das sie inzwischen erworben, aber in Kenntnis der Abänderungsmöglichkeit wieder ausgegeben hat, womit sie ihre zeitweilig entfallene Leistungsunfähigkeit böswillig wieder herbeigeführt hat. Dies gilt wegen § 120 Abs. 4 ZPO generell für die Dauer von 4 Jahren nach Prozesskostenhilfebewilligung und ist unabhängig vom Zugang einer entsprechenden Verfügung des Gerichts, weil schon vor Einleitung eines Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO mit der Verpflichtung zum Einsatz eines neu erlangten Vermögens für die Prozesskosten zu rechnen ist (vgl. BGH XII ZA 11/07 vom 18.7.2007 m.w.N.).
Zu Recht rügt die Antragsgegnerin allerdings, dass -wenn und soweit der zuerkannte Betrag der Kompensation von Unterhaltsrückständen bzw. der Abgeltung eines künftig fällig werdenden Unterhaltsanspruchs dient- eine differenzierende Bewertung des Einzelfalls erforderlich ist. Der Senat schließt sich der überwiegenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung an (OLG Dresden, FamRZ 2008, 1543; OLG Hamm, 3 WF 44/07 vom 31.5.2007-Rz. 6; OLG Hamm 2 WF 34/96 vom 15.2.1996; OLG Celle 3 WF 127/05 vom 27.9.2005; OLG Zweibrücken 5 WF 101/06 vom 14.8.2006), dass der Einsatz des zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen erlangten Vermögens regelmäßig nur dann und auch nur in dem Umfang für die Erstattung der Prozesskosten einzusetzen ist, als dieses Vermögen -eine rechtzeitige Zahlung unterstellt- für die Bestreitung der Prozesskosten heranzuziehen gewesen wäre.
Der Vergleichsbetrag von 32.500 EUR wurde der Antragsgegnerin "zur Abgeltung von Trennungsunterhalt, nachehelichem Unterhalt und Zugewinn" zuerkannt. Wie sich der Betrag zusammensetzt, ergibt sich aus dem Vergleichstext nicht, so dass der Senat dies selbst bewerten kann.
In seiner Vermögensaufstellung vom 24.10.2006 hatte der Ehemann seinen Zugewinn mit 69.674,22 EUR (per 31.12.2005) mitgeteilt. Die Steuerschuld von 60.921,01 EUR war erst zum 28.9.2006 fällig. Zahlungen zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs sind grundsätzlich in voller Hö...