Leitsatz (amtlich)
Ergibt sich, dass die Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament von Eheleuten nur für den Fall des gemeinsamen Versterbens gewollt ist, ergibt sich daraus, dass dem überlebenden Ehegatten die Testierfreiheit erhalten bleiben soll. In einem solchen Fall kann die für den Fall des Nacheinanderversterbens fehlende Schlusserbeneinsetzung nicht durch ergänzende Auslegung ersetzt werden.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2265
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 27.09.2004; Aktenzeichen 87 T 287/04) |
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 61-VI 173/03) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 387.605,13 EUR zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligte zu 1) hat aufgrund einer notariellen Erbscheinsverhandlung vom 11.4.2003 die Erteilung eines sie als Alleinerbin nach dem am 9.8.2001 verstorbenen Erblasser ausweisenden Erbscheins beantragt. Sie beruft sich insoweit auf ein privatschriftliches Testament vom 15.6.1981. Dieses Testament hatte der Erblasser, der nicht der leibliche Vater der Beteiligten zu 1) ist, gemeinsam mit seiner am 22.12.1998 vorverstorbenen Ehefrau, der Mutter der Beteiligten zu 1), errichtet. Das AG hat den Erbscheinsantrag mit Beschl. v. 19.3.2004 zurückgewiesen und der Beschwerde vom 2.4.2004 nicht abgeholfen. Das LG hat die Beschwerde mit einem Beschl. v. 27.9.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 23.11.2004.
B.I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten ist zulässig, sie hat aber keinen Erfolg.
Die Annahme des LG, dass die Beteiligte zu 1) nicht testamentarische Alleinerbin des Beteiligten zu 1) geworden ist, lässt Rechtsfehler, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 546 f. ZPO, nicht erkennen.
1. Das LG hat ausgeführt: Die in dem Testament vom 15.6.1981 enthaltene Formulierung, der Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Erbin der Testierenden für den Fall des Versterbens durch einen Unfall oder sonstige beide Unterzeichner betreffende Ereignisse sei dahin zu verstehen, dass ein Versterben so kurz nacheinander vorliegen müsse, dass jedenfalls der überlebende Ehegatte nicht mehr in der Lage sei, eine neue Erbeinsetzung vorzunehmen. Dies folge daraus, dass die Regelung für den Fall eines plötzlichen Todes getroffen worden sei. Demnach hätten die Eheleute nur für diesen Fall eine Vorsorge treffen wollen.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Die Auslegung eines Testaments obliegt als im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegend in erster Linie dem Tatrichter und kann von dem Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf hin überprüft werden, ob die Vorinstanz alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt hat, gesetzliche und allgemein anerkannte Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze beachtet oder eine in Betracht kommende andere Auslegung überhaupt nicht erwogen hat, Umstände zu Unrecht verwertet oder nicht beachtet oder nicht erschöpfend aufgeklärt hat (Keidel/Meyer/Holz, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 27 Rz. 49 f.; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rz. 21). Die Auslegung muss dabei nicht zwingend sein, es reicht, wenn sie nur möglich ist. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Entscheidung des LG nicht zu beanstanden.
b) Das LG hat zutreffend angenommen, dass eine Testamentsauslegung zwar vom Wortlaut der Erklärung auszugehen hat, zur Ermittlung des Inhalts der Verfügung aber der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschl. aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen ist (BGH v. 7.10.1992 - IV ZR 160/91, MDR 1993, 151 = NJW 1993, 256; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2084 Rz. 2). Denn Ziel der Testamentsauslegung ist es, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen, § 133 BGB. Dabei kommt es auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an (BayObLG v. 23.5.1995 - 1Z BR 128/94, BayObLGReport 1995, 66 = NJW 1996, 133). Bei gemeinschaftlichen Testamenten kommt nur eine Auslegung in Betracht, die dem Willen beider Testierenden entsprochen hat (BGH v. 26.9.1990 - IV ZR 131/89, BGHZ 112, 229 [233] = MDR 1991, 133 = MJW 1991, 169 [170]; BayObLG v. 12.3.1981 - BReg. 1 Z 3/81, BayObLGZ 1981, 79).
c) Insoweit ist es eine mögliche - wenn nicht sogar nahe liegende - Auslegung des Testaments, die im zweiten Absatz enthaltene Formulierung dahin zu verstehen, dass die Einsetzung der Beteiligten zu 1) als Schlusserbin nur für den Fall gelten sollte, dass die Eheleute durch einen beide treffenden Unfall oder ein oder mehrere sonstige Ereignisse so kurz nacheinander zu Tode kommen, dass jedenfalls der überlebende Ehegatte nicht in der Lage war, eine neue Erbeinsetzung vorzunehmen. Diese Auslegung wird durch den ersten Absatz des Testaments, nach dem sich die Testierenden gegenseitig zu ihren Erben eingesetzt haben, ohne eine Schlusserbeneinsetzung vorzunehmen, und der von ihnen gesondert unterschrieben worden ist, getragen....