Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 30.10.2017; Aktenzeichen (564) 273 Js 4200/15 Ns (171/16)) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 2017, soweit in ihm der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung verworfen worden ist, wird verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf den Antrag der Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der vorgenannte Beschluss des Landgerichts Berlin, soweit in ihm die Revision der Anklagten gegen das Urteil desselben Gerichts vom 15. September 2017 verworfen worden ist, aufgehoben.
3. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückgegeben, insbesondere zur Entscheidung über den Antrag der Angeklagten auf Bestellung eines Verteidigers.
4. Die Angeklagte wird darauf hingewiesen, dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur formgerechten Anbringung der Anträge und der Begründung ihrer Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. September 2017 gewährt werden kann. Dazu ist es erforderlich, dass sie innerhalb der Frist von einem Monat, die mit der Zustellung der Entscheidung des Landgerichts über den Antrag auf Bestellung eines Verteidigers beginnt, die Revisionsanträge und deren Begründung in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts Berlin anbringt.
Gründe
Das Landgericht verwarf die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. September 2016 durch Urteil vom 15. September 2017 nach § 329 Abs. 1 StPO, weil die Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Berufungshauptverhandlung nicht erschienen, ihr Ausbleiben nicht genügend entschuldigt und sie auch nicht in zulässiger Weise durch einen Verteidiger vertreten war. Gegen das ihr am 20. September 2017 zugestellte Urteil legte die Angeklagte mit Schreiben vom 22. September 2017 "Beschwerde und Einspruch" ein und "beantragte" zugleich "Revision". Über den in diesem Schreiben gestellten Antrag auf Bestellung eines Verteidigers entschied das Landgericht nicht. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es "Beschwerde und Einspruch" als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung behandelt und diesen mangels Glaubhaftmachung der vorgetragenen Entschuldigungsgründe (als unzulässig) verworfen. Die Revision der Angeklagten hat es zugleich nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Der Beschluss ist der Angeklagten am 2. November 2017 übersandt und am 30. November 2017 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 12. November 2017, eingegangen bei Gericht am darauffolgenden Tag, hat die Angeklagte "sofortige Beschwerde" eingelegt und einen Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gestellt. Diese Anträge hat sie mit weiterem Schreiben vom 6. Dezember 2017, eingegangen bei Gericht am 8. Dezember 2017, wiederholt und darüber hinaus die "Wiederaufnahme des Verfahrens" beantragt.
I.
1. Die mit den Schreiben vom 12. November 2017 und 6. Dezember 2017 erhobene sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung des Antrags auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung nach § 329 Abs. 7 StPO ist statthaft (§ 46 Abs. 3 StPO) und zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) erhoben. Die für den Beginn der Wochenfrist erforderliche Zustellung (§ 35 Abs. 2 Satz 1 StPO) des Urteils vom 15. September 2017 ist erst für den 30. November 2017 durch Zustellungsurkunde nachgewiesen. Darauf, dass die Angeklagte zumindest schon am 12. November 2017 Kenntnis von dem Urteil erlangt hatte, wie sich aus ihrem Schreiben vom selben Tag ergibt, kommt es für die Fristberechnung nicht an.
2. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Angeklagte den vorgetragenen Entschuldigungsgrund für ihr Ausbleiben am 15. September 2017 (jedenfalls) nicht nach § 45 Abs. 1 StPO glaubhaft gemacht hat.
a) Der Senat lässt offen, ob der Wiedereinsetzungsantrag bereits deshalb unzulässig ist, weil die Angeklagte sich zu dessen Begründung auf ihre dem Gericht vorab bekannte und im Urteil erörterte depressive Erkrankung nur in ergänzender, vertiefender Weise berufen hat, oder ob der Antrag zulässig ist, weil der Vortrag der Angeklagten, sie habe sich am Terminstag in einem "akuten depressiven Zustand" (Unterstreichung durch den Senat) befunden und deswegen - belegt durch ein am 15. September 2017 ausgestelltes, um 10.20 Uhr mittels Fernkopie an das Landgericht gesendetes ärztliches Attest der Ambulanz der F.-Klinik - in ambulante ärztliche Behandlung begeben, auch neue Tatsachen enthält, die dem Gericht bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt waren (zu diesem Zulässigkeitserfordernis im Wiedereinsetzungsverfahren z. B. BGH, Beschluss vom 23. April 1996 - 1 StR 99/96 -, juris Rdnr. 6; KG, Beschlüsse vom 30. D...