Leitsatz (amtlich)
1. Der Lebensversicherer haftet dem Versicherungsnehmer auf Schadenersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss durch Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, wenn in Musterberechnungen mit Renditeprognosen gerechnet wird, für die keine tatsächliche Grundlage besteht, weil bei Vertragsschluss ungeklärt ist, in welcher Form mit welchem zu erwartenden Renditeergebnis der kreditfinanzierte sechsstellige Einmalbeitrag investiert werden soll.
2. Der Lebensversicherer muss sich die fehlerhafte Aufklärung durch einen Versicherungsmakler zurechnen lassen, wenn er diesem die Erfüllung der Aufklärungs- und Informationspflichten überlässt und es sich um einen speziell für dessen Vertrieb entwickelten Tarif handelt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.03.2016; Aktenzeichen 7 O 420/14) |
Tenor
In dem Rechtsstreit ... ./l. ... hat der Senat nunmehr über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 10. März 2016 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten, mit der er durch einen Versicherungsvertrag über eine kapitalbildende Lebensversicherung verbunden war, die zwischenzeitlich von ihm gekündigt worden ist, einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten wegen der Werbung mit nach seiner Auffassung zum damaligen Zeitpunkt unrealistischen Renditen geltend und verlangt von der Beklagten, finanziell so gestellt zu werden, als hätte er auch alle weiteren Verträge nicht geschlossen, die er als Bausteine einer "S... -... -Rente" (im Folgenden: S...) abgeschlossen hat.
Zu den Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie zum Inhalt des streitigen Parteivorbringens und der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte weitgehend antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt und die Klage lediglich abgewiesen hinsichtlich der begehrten Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten und soweit Zinsen für die Zeit vor Rechtshängigkeit geltend gemacht worden sind.
Es hat eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung durch das Werben des als Zeugen benannten Herrn M... mit unrealistischen Renditeprognosen von 6,5% bejaht und den Zeugen M..., der als Untervermittler tätig wurde, als Erfüllungsgehilfen der Beklagten angesehen. Das Landgericht hat hinsichtlich der Kausalität die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger die gesamte S... nicht abgeschlossen hätte, wenn die Pflichtverletzung unterblieben wäre.
Es hat die Klageberechtigung des Klägers bejaht und eine Verjährung des Schadensersatzanspruchs verneint. Zu den Einzelheiten der Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Gegen dieses ihr am 18. März 2016 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 8. April 2016 eingelegten Berufung, die sie nach der am 12. Mai 2016 beantragten und um einen Monat bewilligten Fristverlängerung am 20. Juni 2016 (einem Montag) begründet hat.
Die Beklagte verfolgt ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter und macht geltend, der Kläger sei wegen der erfolgten Abtretung der Leistungsansprüche aus der Lebensversicherung - auch der bei Verwertung vor Fälligkeit - nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen, weil Sicherheitsinteressen der finanzierenden Bank betroffen seien.
Eine Aufklärungspflichtverletzung sei nicht gegeben. Der Zeuge M... habe mit einer Rendite von 6,85% gerechnet. Diese sei nicht unrealistisch gewesen. Die Anlage K 26 beziehe sich auf den Tarif "L... 2". Vereinbart sei hier jedoch der Tarif L... /2002.
Es sei auch nicht sicher ausgeschlossen gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt eine Investition in den Fonds O... erfolgen konnte. Darüber hinaus sei der Fonds O... keineswegs fester Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung. Geschuldet war eine Investition in den Tarif L... .
Der Beklagten sei auch das Verhalten der S... -Gruppe und ihrer Untervermittler nicht zuzurechnen.
Der Beklagte sei auch nicht die Gesamtheit der mit dem S... -Modell verbundenen Risiken zuzurechnen. Die Beklagte habe keine Veranlassung dazu gegeben, dass weitere Verträge geschlossen worden sind.
Es sei auch nicht überzeugend, dass der Kläger das gesamte S... -Modell nicht abgeschlossen hätte, wenn er ordnungsgemäß über die Kapitallebensversicherung der Beklagten aufgeklärt worden wäre. Es hätten auch andere Versicherer Verträge für die Tilgungskomponente angeboten.
Die Anwendung der Grundsätze über die Drittschadensliquidation in Ansehung der von der Ehefrau des Klägers abgeschlossenen Risikolebensversicherungen sei nicht möglich.
Die Einrede der Verjährung werde aufrechterhalten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf d...