Leitsatz (amtlich)

1. Ein beteiligter Elternteil kann sich auch dann mit der Beschwerde gegen die in einer familiengerichtlichen Endentscheidung enthaltenen Auflage wenden, an dem Kurs "Kind im Blick" oder einem vergleichbaren Kurs teilzunehmen, wenn die Auflage mit Zwangsmitteln nicht durchsetzbar ist bzw. Ordnungsmittel nicht angedroht wurden.

2. Eine Beratungsanordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG stellt keine Endentscheidung dar und kann als solche auch nicht angeordnet werden, sondern bezweckt, als Zwischenentscheidung eine konsensuale Streitbeilegung zu fördern; die Anordnung geht der Endentscheidung regelmäßig voraus.

3. Eine erst mit der Endentscheidung verfügte Beratungsanordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG kann nicht in eine Anordnung nach § 1684 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BGB umgedeutet werden, zur Sicherstellung der umgangsrechtlichen Wohlverhaltenspflicht einen Kurs wie beispielsweise "Kind im Blick" zu besuchen, wenn eine entsprechende Anordnung unverhältnismäßig wäre, ein Elternteil sie mit Nachdruck ablehnt oder sie aus anderen Gründen ungeeignet erscheint.

4. Der Regelwert von 3.000 EUR für eine Kindschaftssache kann im Einzelfall reduziert werden, wenn nicht der Umgang an und für sich im Streit steht, sondern lediglich ein untergeordneter Teilaspekt.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Köpenick (Aktenzeichen 21 F 68/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Vaters wird der am 17. September 2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Köpenick - 21 F 68/17 - dahingehend abgeändert, dass die Anordnung in Ziff. 2 des Beschlusstenors, wonach die Eltern verpflichtet sind, jeweils an dem Kurs "Kind im Blick" oder einem ähnlichen, kostenlosen Kurs oder einer Beratung teilzunehmen, die darauf gerichtet ist, sie zu lehren, den Kontakt zum anderen Elternteil im Sinne des Kindes zu gestalten, sowie weiter, binnen sechs Monaten eine Bescheinigung hierüber dem Familiengericht vorzulegen, ersatzlos aufgehoben wird.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt jeder Elternteil zur Hälfte. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Elternteil selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Vater - dessen Ehe mit der Mutter geschieden wurde - wendet sich gegen die in dem am 17. September 2018 erlassenen Beschluss des Familiengerichts zur Regelung des Umgangs zwischen der Mutter und der gemeinsamen, aus der Ehe hervorgegangenen Tochter enthaltene Anordnung, dass die Eltern den Kurs "Kind im Blick" oder einen ähnlichen Kurs bzw. eine Beratung besuchen und innerhalb von sechs Monaten dem Familiengericht eine Bescheinigung über Kursbesuch oder Beratung vorlegen sollen.

Die Eltern von A... - das Kind wird üblicherweise nur "A... " gerufen - trennten sich im August 2010; ihre Ehe ist seit September 2013 rechtskräftig geschieden. Von August 2010 bis etwa Januar 2017 wurde A... von beiden Elternteilen gemeinsam im wöchentlichen Wechsel betreut. Nachdem die Mutter im Frühjahr 2015 von ihrem bisherigen Wohnsitz in B... -N... nach B... -T... verzog, die Streitigkeiten zwischen beiden Elternteilen zunehmend eskalierten - die Eltern stritten vor dem Familiengericht u.a. über die Wahl der Grundschule für A..., über die Teilnahme des Kindes an einer Mutter-Kind-Kur sowie die religiöse Unterweisung von A... - und Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes einschließlich des Versuchs, beide Elternteile an eine Familienberatungsstelle anzubinden, scheiterten, gelangten beide Eltern zu der Auffassung, dass die Fortführung des praktizierten Wechselmodells dem Kindeswohl nicht mehr entspreche und begehrten die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge bzw. von Teilen der elterlichen Sorge jeweils auf sich allein. Die in dem seinerzeitigen Verfahren (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 150 F 6628/15) bestellte Sachverständige - die Diplompsychologin ..., B... - stellte fest, dass das praktizierte Wechselmodell aufgrund der Ablehnung durch beide Elternteile, der dysfunktionalen Elternkommunikation sowie der misstrauischen Grundhaltung beider Elternteile mit dem Wohl von A... nicht mehr im Einklang stünde. Sie empfahl, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Befugnis zur Regelung der Schulangelegenheiten auf den Vater zu übertragen, weil sich im väterlichen Haushalt eine für das Kindeswohl günstigere Konstellation zwischen der Bedürfnislage von A... und ihren Lebensbedingungen ergäbe. Dieser Empfehlung folgte das Familiengericht und übertrug im Januar 2017 das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Befugnis zur Regelung der Schulangelegenheiten auf den Vater allein und beließ die elterliche Sorge im Übrigen bei beiden Eltern gemeinsam. Seit dem Wechsel von A... in den Haushalt des Vaters hatten Mutter und Tochter einen erweiterten Umgang alle vierzehn Tage von Donnerstag nach der Schule bis Montag zu Schulbeginn. Nachdem der Versuch der Eltern, sich unter Einbeziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten über den Umgang in den Ferien und zu den Feiertagen zu einigten, scheiterte, der ...

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