Leitsatz (amtlich)
1. Der Käufer eines neuen VW, der über einen Motor der Baureihe EA 189 EU 5 mit unzulässiger Abschalteinrichtung verfügt, an dem aber mittlerweile das von VW entwickelte Softwareupdate durchgeführt worden ist, begründet seinen Anspruch auf Ersatzlieferung eines Neuwagens der nachfolgenden Serie schlüssig gegenüber dem Verkäufer, wenn er behauptet, das Update erhöhe Kraftstoffverbrauch und Verschleiß seines Wagens und stelle deshalb keine ausreichende Nacherfüllung dar.
2. Bestreitet der Verkäufer diese Behauptung, trägt der Käufer die Beweislast.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 33 O 161/17) |
Tenor
I. Der Senat weist die Parteien im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 19.03.2019 für den weiteren Fortgang des Verfahren auf seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage hin:
Gründe
1. Der Kläger erwarb von der Beklagten ein Fahrzeug der Marke VW Tiguan, 2,0 TDI, aus der Modellreihe bis 2015 (Bestellung vom 04.05.2015, Anlagenkonvolut K 1). Das Fahrzeug verfügt über einen Motor der Baureihe EA 189 EU 5. Die für die Abgasrückführung verantwortliche Steuerungssoftware der Baureihe erkennt, wenn sich das Fahrzeug im Prüfstandfahrzyklus befindet und schaltet dann auf den abgasoptimierten Modus 1 um, während im Fahrbetrieb des realen Straßenverkehrs der verbrauchsoptimierte Modus 0 eingreift, der den gesetzlich vorgeschriebenen Höchstwert von 180 mg/km NOx-Ausstoß nicht einhält.
Das Kraftfahrtbundesamt ordnete mit Bescheid vom 15.10.2015 gegenüber der Herstellerin, der VW AG, die Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung an (Anlage B 1). Die Herstellerin stellte in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt den betroffenen Kunden ein Softwareupdate zur Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Verfügung. Das Kraftfahrtbundesamt bestätigte am 21.07.2016 der Herstellerin, dass das Softwareupdate für bestimmte betroffene Fahrzeugtypen, zu dem auch das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers gehört, dazu führe, dass nunmehr die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und die vorhandenen Abschalteinrichtungen nach der Verordnung 715/2007/EG als zulässig eingestuft würden.
Der Kläger ließ am 27.12.2016 durch eine Fachwerkstatt das Softwareupdate durchführen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2017 beanstandete er die bei der Fahrzeugübergabe vorhandene Softwaremanipulation und forderte von der Beklagten erfolglos, den PKW so auszurüsten, dass er die Angaben im Herstellerprospekt erfülle.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit vorrangig die Ersatzlieferung eines Nachserienmodells Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeuges.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug bei Übergabe zwar einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgewiesen habe; dieser sei allerdings zwischenzeitlich behoben worden. Durch die Entgegennahme des Softwareupdates habe der Kläger sein Wahlrecht nach § 439 Abs. 1 BGB ausgeübt, woran er gebunden sei. Das habe zur Folge, dass er nun nicht Ersatzlieferung eines neuen Fahrzeugs verlangen könne. Die hilfsweise geltend gemachte Minderung könne der Kläger ebenfalls nicht verlangen, da aufgrund der Bestätigung des Kraftfahrtbundesamtes vom 21.07.2016 nicht davon auszugehen sei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Aufspielen des Softwareupdates noch mangelhaft sei. Der Vortrag des Klägers zur angeblichen Wirkungslosigkeit des Softwareupdates und den nachteiligen Folgen für das Fahrzeug sei nicht ausreichend substantiiert. Des Weiteren sei die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug weiterhin gültig, ein Entzug nach Durchführung des Software-Updates nicht mehr zu befürchten. Etwaige Gebrauchsbeschränkungen in deutschen Großstädten unter dem Gesichtspunkt eines Fahrverbotes für Dieselfahrzeuge seien nicht auf die streitgegenständliche unzulässige Abschaltvorrichtung zurückzuführen. Ein merkantiler Minderwert des Fahrzeuges bestehe nicht. Denn Grund für einen etwaigen Preisverfall auf dem Gebrauchtwagenmarkt sei die herstellerübergreifende Kritik an der Dieseltechnologie älterer Modelle (bis EU-6-Norm). Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Mit der Berufung trägt der Kläger vor, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, er habe das Softwareupdate als Nachbesserung akzeptiert. Vielmehr habe er es nur aufgrund des öffentlich-rechtlichen Zwanges installieren lassen. Ein Wahlrecht nach § 439 Abs. 1 BGB habe er nur hinsichtlich der Nachlieferung ausgeübt. Der zwischenzeitliche Modellwechsel stehe dem Nachlieferungsverlangen nicht entgegen. Es hätte Beweis erhoben werden müssen über die Behauptung der Beklagten, dass das Update den Mangel beseitigt habe.
Die Beklagte beruft sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und ergänzend darauf, dass eine Ersatzlieferung erkennbar wirtschaftlich unverhältnismäßig im Sinne von § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. sei. Denn die Gesam...