Leitsatz (amtlich)

1. Kostenschuldner einer Aktenversendungspauschale ist nach § 28 Abs. 2 GKG derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst; wenn ein Rechtsanwalt die entsprechende Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, ist somit der Rechtsanwalt selbst alleiniger Kostenschuldner. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den bei Auslegung von Prozesserklärungen zu beachtenden Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht, kann eine von dem die Aktenübersendung beantragenden Rechtsanwalt "namens der Mandantschaft" eingelegte Erinnerung gegen den entsprechenden Kostenansatz als für den Rechtsanwalt selbst eingelegte Erinnerung ausgelegt werden.

2. Für den Anfall der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KV ist erforderlich aber auch ausreichend, dass Akten durch ein Gericht auf Antrag an den Antragsteller (§ 28 Abs. 2 GKG) versendet werden.

3. Nimmt der eine Aktenversendung Beantragende den Aktenversendungsantrag zurück, nachdem die Akte bereits durch die Geschäftsstelle zur Übersendung in den Geschäftsgang gegeben worden ist, ist generell keine Verpflichtung der aktenversendenden Stelle, nachzuforschen, wo sich die Akte gerade befindet, und zu versuchen, die sich bereits auf den Weg gebrachte Akte anzuhalten oder gar wieder zurückzuholen, anzuerkennen.

 

Normenkette

GKG-KV Nr. 9003; GKG § 28 Abs. 2, § 66

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Aktenzeichen 19 U 9/24)

 

Tenor

I. Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenansatz vom 04.03.2024 (zum Kassenzeichen 1242105000006; Rechnungsdatum/Sollstellung 05.03.2024) wird zurückgewiesen.

II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Weitere Information: Die Entscheidung ist rechtskräftig.

 

Gründe

A. Mit Schriftsatz vom 09.02.2024, beim Kammergericht eingegangen am selben Tage und dort zum Geschäftszeichen 19 U 9/24 geführt, hat der Erinnerungsführer erklärt, für die Beklagte Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 05.01.2024 zum Geschäftszeichen 53 O 49/23 einzulegen. In demselben Schriftsatz hat er zugleich beantragt, ihm kurzfristig Akteneinsicht zu gewähren durch Übersendung der Akte in seine Kanzlei. Mit Verfügung vom 04.03.2024 hat der Vorsitzende des 19. Zivilsenats Akteneinsicht wie beantragt bewilligt. Noch am 04.03.2024 hat die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats verfügt, die Akte an den Erinnerungsführer zu versenden, und dies ihm in einem Anschreiben vom selben Tage mitgeteilt.

Mit Kostenansatz vom 04.03.2024 (zum Kassenzeichen 1242105000006; Rechnungsdatum/Sollstellung 05.03.2024) ist dem dort als Kostenschuldner benannten Erinnerungsführer hierfür eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KV in Höhe von 12,- Euro in Rechnung gestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2024, beim Kammergericht eingegangen am selben Tage, hat der Erinnerungsführer erklärt, für die Beklagte die Berufung zurückzunehmen. Ferner hat er in diesem Schriftsatz erklärt, die beantragte Gewährung auf Akteneinsicht könne aufgrund der Berufungsrücknahme als gegenstandslos angesehen werden; er hat hinzugesetzt, die Akte bislang auch nicht erhalten zu haben.

Die Akte ist dem Erinnerungsführer erst am 12.03.2024 zugegangen, nachdem sie zunächst bei einer anderen Rechtsanwaltskanzlei eingegangen war.

Mit Schriftsatz vom 16.04.2024 hat der Erinnerungsführer "namens und in Vollmacht meiner Mandantin" Erinnerung gegen die Erhebung der Aktenversendungspauschale eingelegt. In diesem Schriftsatz hat er vorgetragen, am 07.03.2024 habe ihn die genannte andere Rechtsanwaltskanzlei darüber informiert, dass bei ihr "die mit einem an [den Erinnerungsführer] adressierten Übersendungsschreiben des Kammergerichts versehene Akte" zugegangen sei.

Dieser Erinnerung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats mit Verfügung vom 17.04.2024 nicht abgeholfen.

B. Der Schriftsatz vom 16.04.2024 des Erinnerungsführers ist trotz seiner Erklärung, die Erinnerung werde namens und in Vollmacht seiner Mandantin, also der Beklagten, erhoben, als Rechtsbehelf des Erinnerungsführers auszulegen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 62/22 - NJW-RR 2022, 1718, Rdnr. 20 nach juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Kostenschuldner einer Aktenversendungspauschale nach § 28 Abs. 2 GKG derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst; wenn ein Rechtsanwalt die entsprechende Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, ist somit der Rechtsanwalt selbst alleiniger Kostenschuldner (BGH, Urteil vom 06.04.2011 - IV ZR 232/08 - MDR ...

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