Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverteidigerbestellung für Sicherungsverwahrten in Vollzugssachen
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG n.F.
2. Nach § 109 Abs. 3 StVollzG n.F. stellt die Pflichtverteidigerbestellung den Regelfall dar.
3. Die Ablehnung eines Beiordnungsantrags kann mit der (einfachen) Beschwerde angefochten werden.
Normenkette
StVollzG § 109 Abs. 3, § 120 Abs. 1; StPO §§ 304, § 304 ff.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 09.09.2014; Aktenzeichen 589 StVK 333/14 Vollz) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Sicherungsverwahrten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 9. September 2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer befindet sich als Sicherungsverwahrter in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Am 23. Juni 2014 beantragte er bei der Justizvollzugsanstalt Tegel "die Durchführung der Prüfung der Flucht- und Missbrauchsgefahr bei der Reduzierung der Sicherungsmodalitäten bei Ausführungen durch eine psychologische Stellungnahme". Später präzisierte er diesen Antrag dahingehend, bei Ausführungen das Begleitpersonal von zwei auf einen Beamten zu reduzieren. Am 15. Juli 2014 lehnte die Justizvollzugsanstalt Tegel das Begehren des Sicherungsverwahrten ab.
Am 18. Juli 2014 wandte sich der Sicherungsverwahrte an den Urkundsbeamten des Amtsgerichts Wedding. Ausweislich des an diesem Tag aufgenommenen Protokolls beantragte der Sicherungsverwahrte sinngemäß, die Justizvollzugsanstalt Tegel zu verpflichten, bei zukünftigen ihn betreffenden Ausführungen das Begleitpersonal von zwei auf einen Beamten zu reduzieren. Zugleich beantragte er:
"Gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG i.V.m. § 130 StVollzG dem Antragsteller für das gerichtliche Verfahren einen Rechtsanwalt beizuordnen, wegen der Kompliziertheit der Sach- und Rechtslage."
Zur Begründung dieses Antrags führte der Antragsteller aus, dass er über keinerlei juristische Ausbildung verfüge und die Gesetzeslage erst vor einem Jahr reformiert worden sei.
Mit Beschluss vom 9. September 2014 lehnte die Strafvollstreckungskammer den Beiordnungsantrag ab. Zur Begründung wies das Landgericht darauf hin, dass der Antragsteller im Sinne des § 109 Abs. 3 StVollzG seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen könne. Wegen der weiteren Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 19. September 2014 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und ihm für das gerichtliche Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG einen Rechtsanwalt beizuordnen.
II.
Da sich der Antragsteller nicht gegen eine - bislang ohnehin nicht ergangene - abschließende Entscheidung im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG wendet, sondern lediglich die Versagung der Beiordnung eines Rechtsanwalts angreift, kommt als Rechtsmittel allein die Beschwerde nach § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 304 Abs. 1 StPO in Betracht.
1. Dieses Rechtsmittel ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Zwar ist die Strafvollstreckungskammer im Sinne des § 305 Satz 1 StPO ein "erkennendes Gericht" (vgl. Senat NStZ 2014, 423; NStZ 2001, 448 = ZfStrVo 2001, 370). Doch handelt es sich bei der Bestellung eines Verteidigers um keine Entscheidung, "die der Urteilsfällung vorausgeht". So geht die herrschende Ansicht, der sich der Senat anschließt, davon aus, dass die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers nach §§ 140, 141 StPO in keinem inneren Zusammenhand mit der späteren Urteilsfällung steht (vgl. nur Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl. § 305 Rdn. 8 mit einer Vielzahl weit. Nachweise; vgl. ferner Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl., § 305 Rdn. 5). Für die Bestellung eines Rechtsanwalts nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG gilt nichts anderes. Denn dieses Verfahren ist ausweislich der Gesetzesbegründung der Regelung in § 140 StPO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27; so auch OLG Hamm NStZ-RR 2014, 294).
Ein Ausschluss der Anfechtung folgt auch nicht aus § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Denn diese Bestimmungen sind auf die vorliegend nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG beantragte - und damit unabhängig von den Regeln der Prozesskostenhilfe mögliche - Bewilligung der Bestellung eines Rechtsanwalts nicht anwendbar. Ebenso wenig stehen der Statthaftigkeit der Beschwerde systematische Erwägungen entgegen. Zwar ist das Rechtsbeschwerdegericht im Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG nur zu einer beschränkten Überprüfung der Ausgangsentscheidung berufen (vgl. jeweils mit weit. Nachweisen: Laubenthal in SBJL, StVollzG 6. Aufl., § 120 Rdn. 5; Arloth, StVollzG 3. Aufl., § 120 Rdn. 7). Doch anders als bei der Prozesskostenhilfe, deren Bewilligung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (auch) davon abhängt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet, sieht die Pflichtver...