Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung einer Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist ausgeschlossen, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass das Berufungsgericht eine Entscheidung über die Rechtsfolgen nicht treffen kann, ohne erneut die Schuldfrage zu prüfen (hier unzulängliche Feststellungen zum Schuldspruch wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Körperverletzung).
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 09.05.2005; Aktenzeichen (563) 93 Js 3562/04 Ns (60/05)) |
Tenor
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Mai 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO hinsichtlich der dem Angeklagten zur Last gelegten Tatvorwürfe der vorsätzlichen Körperverletzung sowie des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung und Beleidigung und im Gesamtstrafenausspruch einschließlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung und wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt und diese jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht Berlin hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat es das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung entfällt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Verfahrensrüge ist ohne Begründung geblieben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hält die Sachrüge teilweise für begründet und beantragt, das Urteil hinsichtlich des dem Angeklagten zur Last gelegten Tatvorwurfs des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung sowie im Gesamtstrafenausspruch einschließlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die weitergehende Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft muß das Urteil teilweise aufgehoben werden, weil die Rechtsmittelbeschränkung mangels ausreichender Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil zum Schuldspruch wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte unwirksam gewesen ist. Dem hat sich der Revisionsführer in seiner Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen. Außerdem hat er zur Begründung der Sachrüge noch Folgendes ausgeführt. Das Landgericht habe ihm zu Unrecht angelastet, daß er nicht bereit sei, seine Alkoholprobleme mittels einer Therapie aufzuarbeiten. Eine Alkoholabstinenz habe nicht notwendigerweise eine Therapie zur Voraussetzung. Auch habe das Landgericht in seiner Entscheidung über die Rechtsfolgen sein Geständnis nicht genügend berücksichtigt.
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1.
Die Verfahrensrüge ist unzulässig. Es fehlt an der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Begründung.
2.
Die zulässig eingelegte Sachrüge gibt zunächst Anlaß zu beurteilen, ob das Landgericht zu Recht angenommen hat, daß der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft ihre Berufungen gegen das amtsgerichtliche Urteil wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben. Das ist weitgehend nicht der Fall.
Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf die Rechtsfolgen hat zur Voraussetzung, daß eine tragfähige Grundlage für die neu festzusetzenden Rechtsfolgen vorhanden ist. Der Schuldspruch und die ihm zugrunde liegenden Feststellungen müssen eine isolierte Betrachtung der Rechtsfolgen ermöglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 318 Rdnr. 16 m. w. Nachw.). Eine Beschränkung ist daher ausgeschlossen, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, daß das Berufungsgericht eine Entscheidung über die Rechtsfolgen nicht treffen kann, ohne erneut die Schuldfrage zu prüfen (vgl. BGHSt 33, 59; KG NJW 1976, 813; Meyer-Goßner, § 318 StPO Rdnr. 16). Auch dann, wenn die erstinstanzlichen Feststellungen nicht hinreichend klar erkennen lassen, ob überhaupt die Voraussetzungen strafbaren Handelns gegeben sind, kann eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch keine Anerkennung finden (vgl. OLG Hamburg StV 2000, 608; OLG Köln NStZ-RR 2000, 49; KG, Beschluß vom 27. April ...