Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilung eines Zustellungsmangels bei der Vollziehung einer lauterkeitsrechtlichen einstweiligen Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine einstweilige Verfügung zu Vollziehungszwecken gem. § 172 ZPO zu Unrecht dem Schuldner persönlich, anstatt seinem Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden, so reicht der tatsächliche Zugang einer Kopie bei letzterem binnen einer Vollziehungsfrist für die Heilung dieses Mangels gem. § 189 ZPO aus. Der Zugang des Original-Schriftstücks ist hierfür nicht erforderlich. Dem Zugang einer solchen Kopie (oder Telefaxkopie) ist die elektronische Übermittlung des Dokuments per E-Mail (im Gegensatz zur bloßen Mitteilung) gleichzustellen (Fortführung KG [5. ZS] Magazindienst 2005, 278; KG [12. ZS] KGReport Berlin 2006, 5).

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2; ZPO §§ 936, 929 Abs. 2, §§ 172, 189

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen 97 O 37/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 97 des LG Berlin vom 8.9.2010 - 97 O 37/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die gem. § 91a Abs. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat stimmt der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zu. Denn die einstweilige Verfügung wäre nach dem eingelegten Widerspruch voraussichtlich zu bestätigen gewesen.

1. Hierbei ist davon auszugehen, dass die auf §§ 3, 5 UWG gestützte einstweilige Verfügung in der Sache mit Recht ergangen ist, weil die Antragsgegner irreführend geworben haben. Dies ist von den Antragsgegnern im Beschwerdeverfahren auch nicht mehr eigens thematisiert worden. Durchgreifende Zweifel am Irreführungspotential ihrer Werbung in der konkret angegriffenen Form sind insoweit auch nicht ersichtlich (vgl. insoweit auch OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 - 6 W 193/10 [Bl. 93, 94 d.A.], S. 2, in der ähnlich gelagerten Sache der Antragstellerin gegen die - in der hier angefochtenen Entscheidung angeführte - "andere Firma").

2. Die Antragsgegner hätten sich voraussichtlich auch nicht mit Erfolg auf eine fehlerhafte Vollziehung der einstweiligen Verfügung berufen können.

a) Allerdings kann - entgegen der Auffassung des LG - nicht von einer ordnungsgemäßen Vollziehung der einstweiligen Verfügung im Wege der Zustellung an die Antragsgegner selbst (anstatt an deren Verfahrensbevollmächtigten) ausgegangen werden. Denn im Streitfall wäre voraussichtlich § 172 ZPO zur Anwendung gelangt. Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des LG, dass im Falle der vorgerichtlichen anwaltlichen Antwort auf ein Abmahnschreiben von einer Zustellungsvollmacht nur ausgegangen werden kann, wenn der Anwalt dies in seinem Antwortschreiben ausdrücklich erklärt oder eine Vollmacht beifügt, aus der sich die Zustellungsvollmacht ausdrücklich ergibt (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 355; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rz. 132). Diese Voraussetzungen sind aber entgegen der Auffassung des LG (und auch des OLG Köln, a.a.O., S. 3, im auch insoweit ähnlich gelagerten Fall) erfüllt gewesen. Dem anwaltlichen Antwortschreiben vom 23.2.2010 (Anlage ASt 15 = Anlage AG 1) lagen von den Antragsgegnern unterzeichnete Anwaltsvollmachten bei (AG 2 und AG 3), und zwar "zur Prozessführung (u.a. nach §§ 81 ff. ZPO)" mit Erstreckung auf "Neben- und Folgeverfahren aller Art (z.B. Arrest und einstweilige Verfügung ...)". Die Vollmachten umfassten "insbesondere die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen ...". Mit Blick auf diesen - eindeutigen - Wortlaut erscheint es dem Senat als überinterpretiert, wenn der sowohl in den Vollmachten als auch im Antwortschreiben selbst enthaltenen Überschrift "wegen Abwehr Abmahnung UWG" die Aussage entnommen wird, die Vollmacht beschränke sich nur auf die vorgerichtliche Phase und nicht auf das gerichtliche Eilverfahren, zumal auch im Antwortschreiben selbst das Bevorstehen eines Eilverfahren ausdrücklich in Aussicht genommen worden ist, als die Antragstellerin aufgefordert worden ist, einem Eilantrag auch eben jenes anwaltliche Antwortschreiben beizufügen.

Vorstehender Auffassung war - vor Entscheidungsfindung - im Übrigen zunächst auch das LG, als es mit Verfügung vom 25.5.2010 (Bl. 39 d.A.) noch ausführte, aus den dem Antwortschreiben vom 23.2.2010 beiliegenden Vollmachten ergebe sich "eindeutig", dass die Antragsgegner ihren Bevollmächtigten auch mit der Vertretung in etwaigen Folgeverfahren bereits beauftragt hätten, weshalb die Zustellung wirksam nur an sie hätte bewirkt werden können.

b) Der mithin gem. § 172 ZPO bestehende Mangel ist aber vor Ablauf der Vollziehungsfrist gem. § 189 ZPO geheilt worden. Nach der zuletzt genannten Vorschrift gilt ein Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugeg...

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