Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltswerbung: Rundschreiben an Fondsgesellschafter
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn sich ein Rechtsanwalt in einem Rundschreiben gezielt an die Gesellschafter einer bestimmten Fondsgesellschaft wendet und dabei für das Ziel einer gemeinsamen Rechtsverfolgung gegenüber beratenden Banken und Initiatoren ausdrücklich (unter Hinweis auf eine am Jahresende drohende Verjährung von Ansprüchen und seine Honorarvorstellungen) wirbt, bewegt er sich in einem Grenzbereich wettbewerbsrechtlich zulässiger Anwaltswerbung.
2. Dennoch können die wettbewerbsrechtlichen Grenzen einer Werbung für anwaltliche Dienstleistungen noch nicht überschritten sein, wenn die Fondsgesellschaft nicht notleidend ist, nur auf drohende steuerrechtliche Nachteile und in diesem Zusammenhang nahe liegende Regressansprüche der Fondsgesellschafter aufmerksam gemacht wird, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist noch mehrere Monate verbleiben und mit dem Rundschreiben eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung des werbenden Rechtsanwalts verbunden ist.
3. Selbst eine auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtete Werbung ist erst dann wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn sie auch in ihrer individuellen Ausgestaltung geeignet ist, die Schutzgüter des § 43b BRAO konkret zu gefährden.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; BRAO § 43b
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 22.07.2010; Aktenzeichen 52 O 168/10) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 52 des LG Berlin vom 22.7.2010 - 52 O 168/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 7.000 EUR.
Gründe
I. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet, §§ 935, 940 ZPO. Zutreffend hat das LG Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus dessen Rundschreiben vom 17.3.2010 wegen einer unlauteren Werbung für rechtsanwaltliche Dienstleistungen verneint.
1. Die streitgegenständliche Werbung ist nicht wettbewerbsrechtlich unlauter "auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet", § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43b Alt. 2 BRAO.
a) Vor der Einführung des § 43b in die Bundesrechtsanwaltsordnung wurde zu dem aus § 43 BRAO hergeleiteten Verbot berufswidriger Werbung auch das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten als gezielte Werbung um Praxis gerechnet. Das nunmehr in § 43b BRAO enthaltene Verbot einer auf Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichteten Werbung ist nicht mit dem früher aus § 43 BRAO abgeleiteten Verbot der gezielten Werbung um Praxis gleichzusetzen. Die Bestimmung verbietet grundsätzlich nur die Werbung um einzelne Mandate, d.h. unmittelbar auf die Erteilung eines Auftrags in einem konkreten Einzelfall gerichtete Maßnahmen (BGH, GRUR 2002, 84, juris Rz. 36 - Anwaltswerbung II). Demgegenüber ist die Werbung um einzelne Mandanten, die darauf gerichtet ist, die Umworbenen dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen, grundsätzlich erlaubt (BGH, a.a.O., Anwaltswerbung II m.w.N.). Insbesondere ist eine Anwaltswerbung nicht deshalb unzulässig, weil sie sich an Personen richtet, zu denen kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden hat (BGH GRUR 2002, 902, 904 - Vanity-Nummer).
Eine für sich genommen an sich zulässige Werbung um mögliche Auftraggeber kann sich allerdings als eine auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtete, gegen § 43b BRAO verstoßende Werbung darstellen, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung und Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Eine solche Werbung ist als unzulässig anzusehen, weil sie in gleicher Weise wie die offene Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall in einer oft als aufdringlich empfundenen Weise auszunutzen versucht, dass sich der Umworbene beispielsweise in einer Lage befindet, in der er auf Hilfe angewiesen ist und sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden kann (BGH, WRP 2002, 71, juris Rz. 42 - Anwaltsrundschreiben).
In Hinblick auf den Zweck der Vorschrift (Schutz vor gezielter persönlicher Kontaktaufnahme, die gegebenenfalls als aufdringlich empfunden werden kann) werden nicht auch solche Fälle erfasst, in denen ein konkreter Handlungs- oder Beratungsbedarf beim Adressaten erst aufgrund der in der Anwaltswerbung enthaltenen Angaben zu einer konkreten Fallgestaltung bewusst gemacht wird (BGH, a.a.O., Anwaltsrundschreiben, juris Rz. 43). Dass sich der Anwalt mit einer Werbung an Personen gewandt hat, bei denen er ein generelles Interesse an seinen Leistungen erwarten durfte und die er deshalb als Auftraggeber zu gewinnen hoffte, ist rechtlich nicht zu beanstanden (BGH, a.a.O., Anwaltsrundschreiben;, a.a.O., Anwaltswerbung II, juris Rz. 37).
b) Vorliegend hat sich der Antragsgegner zwar gezielt an die Gesells...