Leitsatz (amtlich)

Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, wenn die Vollmacht mit dem Ziel erteilt wurde, die ärztliche Behandlung einer psychischen Erkrankung und eine eventuelle zivilrechtlichen Unterbringung zu verhindern, und der Bevollmächtigte den geäußerten Willen des Betroffenen ohne Rücksicht auf dessen fehlende Einsichtsfähigkeit und eine konkrete Hilfsbedürftigkeit in jedem Fall über an seinem Wohl auszurichtende Maßnahmen stellt und dabei die Gefahr hinnimmt, dass sich die psychische Krankheit des Betroffenen dadurch weiter verstärkt. Die Bestellung eines Vollmachtsüberwachungsbetreuers ist nicht ausreichend, wenn der Bevollmächtigte deutlich macht, eine Zusammenarbeit mit dem Betreuer in jedem Fall abzulehnen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 08.06.2004; Aktenzeichen 83 T 128 und 472/03)

AG Berlin-Wedding (Aktenzeichen 54 XVII 2228)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde sowie der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. W. werden zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Die weitere Beschwerde, mit der sich die Betroffene gegen die Verlängerung der Betreuung unter Erweiterung der Aufgabenkreise (dazu unten 1a) sowie gegen die Bestellung des Beteiligten zu 1) als neuem Betreuer (dazu unten 1b) wendet, ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung des LG nicht auf der Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

1. Das LG hat ausgeführt: Die Betroffene leide an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer schizoaffektiven Psychose, differenzialdiagnostisch an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche mittlerweile aufgrund des bisherigen jahrelangen Verlaufs zunehmend chronifiziert sei. Die Betroffene habe Verbindlichkeiten in vierstelliger Höhe, mit deren Regulierung sie krankheitsbedingt offensichtlich überfordert sei. Ohne ausreichende Kontrolle durch einen Betreuer sei sie nicht in der Lage, mit ihren geringen finanziellen Mitteln so zu haushalten, dass die Begleichung der laufenden Kosten wie Miete, Strom und Krankenversicherung gewährleistet wären. Die Betroffene sei offensichtlich überfordert, ihr zustehende ergänzende Beihilfen selbst zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Da sie Sozialhilfe beziehe und gegen sie Zwangsvollstreckungs- und andere Zivilverfahren betrieben worden seien, benötige sie auch die Hilfe eines Betreuers im Bereich der Vertretung vor Behörden und Gerichten. Dies gelte auch im Hinblick auf die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung zur Heilbehandlung aufgrund des nunmehr jahrelangen Verlaufs der Krankheit unter Ablehnung jeglicher geeigneter medikamentöser Behandlung und des krankheitsbedingt erheblichen Leidensdruckes bei der Betroffenen durch das Hören von Stimmen und wiederkehrende Angstzustände. Vor allem benötige die Betroffene in diesen Bereichen einen Betreuer angesichts des Verhaltens ihrer Bevollmächtigten. Diese schotteten die Betroffene völlig nach außen hin ab, negierten vollständig die Existenz und Behandlungsbedürftigkeit von psychischen Erkrankungen und propagierten auch das Recht auf Selbsttötung und -verstümmelung.

Die von der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten stünden der Betreuerbestellung nicht entgegen, weil die Bevollmächtigten allein schon wegen ihrer Anschauung hinsichtlich der Existenz bzw. Nichtexistenz von psychischen Krankheiten und der Notwendigkeit zu deren Behandlung nicht die Gewähr dafür böten, zum Wohle und im Interesse der Betroffenen tätig zu werden. Deshalb käme auch ihre Bestellung als Betreuer nicht in Betracht.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Rechtsfehler, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO, enthält die angefochtene Entscheidung nicht.

a) Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Ein Betreuer darf nur für die Angelegenheiten bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen (BayObLG v. 11.4.2001 - 3Z BR 83/01, BayObLGReport 2001, 60 = FamRZ 2001, 1244 f.). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und ohne oder gegen seinen Willen, setzt weiter voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (KG, Beschl. v. 26.4.2005 - 1 W 414/04, KG-Report Berlin 2005, 709; BayObLG v. 11.4.2001 - 3Z BR 83/01, BayObLGReport 2001, 60 = FamRZ 2001, 1244.f; BayObLG v. 8.3.2001 - 3Z BR 62/01, FamRZ 2001, 1245 f.; jetzt: § 1896 Abs. 1a BGB).

Das LG ist in tatsächlicher Hinsicht ohne Rechtsfehler und damit für den Senat bindend, vgl. §§ 27 Abs. 1 S. 2 F...

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