Leitsatz (amtlich)
Der Antrag einer Partei auf Ergänzung eines Urteils gemäß § 321 oder § 716 ZPO kann durch Beschluss als unzulässig verworfen werden, wenn das Gericht die aus Sicht des Antragstellers nachzuholende Entscheidung nicht - auch nicht teilweise - übergangen hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 8 O 209/12) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten vom 30. Oktober 2018 auf Ergänzung des Schlussurteils vom 9. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 509.000,- EUR wegen der mangelhaften Erfüllung eines Architektenvertrags in Anspruch. Ihre Klage umfasst zahlreiche Einzelpositionen.
Der Senat hat durch Teilurteil vom 28. August 2018 mit Ausnahme eines Restbetrags von 10.187,80 EUR über alle in der Berufungsinstanz anhängigen Positionen der Klageforderung entschieden und zwar mit dem Ergebnis, dass er die Beklagten als Gesamtschuldner zu einer Zahlung von 142.328,20 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen hat.
Nach einer Beweisaufnahme hat der Senat sodann mit Schlussurteil vom 9. Oktober 2018 über den noch offenen Rest des Klageantrags entschieden und zwar mit dem Ergebnis, dass er die Beklagten zur Zahlung von weiteren 8.535,18 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Der Tenor dieses Schlussurteils lautet auszugsweise wie folgt:
IV. Das vorliegende Schlussurteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2018 haben die Beklagten beantragt, das Schlussurteil dahin zu ergänzen, dass in seinen Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit eine Abwendungsbefugnis zugunsten der Beklagten gemäß § 711 ZPO aufgenommen wird. Zugleich haben die Beklagten erklärt, mit einer schriftlichen Entscheidung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden zu sein.
II. Der Antrag der Beklagten auf Urteilsergänzung ist durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.
1. a) Der Antrag einer Partei auf Ergänzung eines Urteils gemäß § 321 oder § 716 ZPO kann durch Beschluss als unzulässig verworfen werden, wenn das Gericht die aus Sicht des Antragstellers nachzuholende Entscheidung nicht - auch nicht teilweise - übergangen hat. Zwar sieht § 321 Abs. 3 ZPO im Fall eines Antrags auf Urteilsergänzung eine Entscheidung durch (weiteres) Urteil nach mündlicher Verhandlung vor (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, 2018, § 321 ZPO, Rz. 10), wie sich aus § 321 Abs. 4 ZPO ergibt, steht dies aber unter der Voraussetzung, dass das Gericht zuvor zumindest den Teil eines Haupt- oder Nebenanspruchs oder die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit übergangen hat. Wenn das nicht geschehen ist, gibt es keinen Anlass für die Ergänzung des Urteils. Allein der Umstand, dass eine Partei meint, das Gericht habe in seinem Urteil über einen Anspruch ganz oder teilweise noch nicht entschieden, gebietet nicht die Durchführung der von § 321 Abs. 3 und 4 ZPO vorgesehenen Verhandlung, solange das Gericht der Auffassung ist, es gebe nichts zu ergänzen. Selbst wenn die Auffassung des Gerichts unrichtig sein sollte, läge hierin ein Rechtsanwendungsfehler, der mit dem angeblich unvollständigen Urteil ggf. in der Rechtsmittelinstanz zu überprüfen wäre. Andernfalls könnte die Partei eines Rechtsstreits durch vermeintliche Ergänzungsanträge nach § 321 ZPO, die sich in der Sache nicht auf den übergangenen Teil eines Anspruchs, sondern einen wirklichen oder vermeintlichen Rechtsanwendungsfehler beziehen, in einer abgeschlossenen Instanz eine erneute mündliche Verhandlung erzwingen, für die es kein berechtigtes Bedürfnis gibt.
Soweit in der Literatur einschränkungslos vertreten wird, die "Ablehnung" eines Antrags auf Urteilsergänzung erfordere stets die Entscheidung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung (sofern nicht die Voraussetzung des § 128 Abs. 2 ZPO vorliegen, vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, 2018, § 321 ZPO, Rz. 10) vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen, soweit der Ergänzungsantrag mit der Begründung als unzulässig verworfen wird, dass kein Teil eines Klageanspruchs (§ 321 ZPO) bzw. der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 716 ZPO) übergangen ist. Aus dem Beschluss des BGH vom 8. Februar 1982 (II ZB 1/82) folgt nichts Abweichendes, da dieser sich nicht zu dem hier erörterten Fall eines "Ergänzungsantrags ohne Ergänzungsbedarf" verhält.
b) Danach ist der Ergänzungsantrag der Beklagten durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Anders als es § 716 ZPO voraussetzt hat der Senat im Schlussurteil vom 9. Oktober 2018 über die vorläufige Vollstreckbarkeit entschieden, nämlich indem unter Punkt IV. des Tenors das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.
Damit hat der Senat auch über die Frage einer Abwendungsbefugnis des jeweiligen Vollstreckungsschuldners entschieden und zwar in der Form, dass eine solche nicht eingeräumt wird. Dies folgt bereits aus dem Fehlen eines entsprechenden Passus unter ...