Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrangige Unterhaltsverpflichtung des Anzunehmenden bei Abschluss eines Adoptionsvertrages. Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eines volljährigen Kindes
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Fall der Adoption ist der Annehmende dem angenommenen Kind grundsätzlich vor dessen leiblichen Eltern zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet.
2. Unbilligkeit der Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten bei gröblicher Verletzung der Wahrheits- und Offenbarungspflichten durch den Unterhaltsberechtigten sowie mutwilliger Hinwegsetzung über seine Vermögensinteressen
Normenkette
BGB §§ 1601, 1610, 1606 Abs. 3, §§ 1613, 1611 Abs. 1, § 1770 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 26.07.2006; Aktenzeichen 164 F 7244/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.7.2006 verkündete Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg - 164 F 7244/05 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die 21-jährige Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem von ihrer Mutter getrennt lebenden Vater rückständigen und laufenden Ausbildungsunterhalt für die Zeit ab Beginn ihres Studiums am 1.6.2004.
Das AG hat eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten erst für die Zeit ab dem 1.10.2004 angenommen. Es hat der Klägerin für die Zeit ab 1.12.2005 einen laufenden monatlichen Unterhalt i.H.v. 397,73 EUR zugesprochen und für die Zeit vom 1.10.2004 bis 30.11.2005 - unter Berücksichtigung von Zahlungen, die der Beklagte aufgrund des im einstweiligen Anordnungsverfahren am 21.10.2005 erlassenen Beschlusses (SH I Bl. 71 ff.) geleistet hat - noch einen Unterhaltsrückstand von insgesamt 3.458,19 EUR zuerkannt. Wegen der Einzelheiten des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil (Bl. II 43-52) verwiesen.
Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der er zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft: Danach bestreitet er im Hinblick darauf, dass die Klägerin ab Januar 2005 Vorschussleistungen nach dem BAFöG erhält, deren Aktivlegitimation und Bedürftigkeit. Darüber hinaus wirft er ihr verwirkungsbegründendes Verhalten vor und stellt seine eigene Leistungsfähigkeit in Abrede. Schließlich rügt er fehlenden Verzug für den Unterhaltszeitraum vor dem 1.4.2005.
In der Berufung beruft der Beklagte sich ergänzend auf die vorrangige Einstandspflicht der Großmutter der Klägerin (mütterlicherseits), die - wie er erst jetzt erfahren hat - die Klägerin und ihren Bruder Philipp bereits durch Adoptionsvertrag vom 30.7.2004 jeweils als Kind angenommen hat. Wegen des Vorbringens des Beklagten im Einzelnen verweist der Senat auf die Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift vom 28.9.2006 (Bl. II 155 ff.) und im Schriftsatz vom 23,10.2006 (Bl. II 186 ff.).
Die Klägerin verteidigt - ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.- das amtsgerichtliche Urteil hinsichtlich der ihr zugesprochenen Unterhaltsleistungen. Darüber hinaus begehrt sie - im Hinblick darauf, dass ihrer Auffassung nach der Beklagte angesichts vollständiger Leistungsunfähigkeit ihrer Mutter für ihren Unterhalt a/lein aufzukommen hat - im Wege der Anschlussberufung höhere monatliche Unterhaltszahlungen, und zwar rückwirkend weiterhin auch schon für die Zeit ab 1.6.2004. Sie hält die Adoption durch ihre Großmutter für unterhaltsrechtlich unerheblich und macht zudem geltend, dass deren Inanspruchnahme ebenfalls an fehlender Leistungsfähigkeit scheitere. Wegen des Vorbringens der Klägerin im Einzelnen nimmt der Senat auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 20.9.2006 (BMI 132 ff.) und in der Anschlussberufung vom 13.11.2006 (Bl. II 212 ff.) Bezug.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
Auch das - unselbständige - Rechtsmittel der Klägerin begegnet keinen formellen Bedenken (§ 524 ZPO).
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage - mit der Folge, dass auch die unselbständige Anschlussberufung ihre Wirkung verliert. Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:
- Soweit die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt für die Zeit vom 1.6.2004 bis 30.10.2004 in Anspruch nimmt, kommt ein dahingehender Anspruch schon unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht in Betracht (§ 1611 Abs. 1 BGB). Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin für die Zeit des Medizinstudiums Ausbildungsunterhalt zu zahlen.
Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des AG auf S. 6 des Urteils Bezug.
- Soweit die Klägerin im Übrigen Unterhalt für die Zeit vor dem 1.4.2005 geltend macht - scheitert das Klagebegehren schon daran, dass sie die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB nicht nachvollziehbar dargetan hat. Denn dass, wann und wie sie den Beklagten vor der Abfassung ihres (verzugsbegründenden) Schreibens vom 14.4.2005 zur Aus...