Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Schneebeseitigung
Leitsatz (amtlich)
Ein Anlieger, der überhaupt nicht geräumt und gestreut hat, kann nicht verlangen, so behandelt zu werden, als sei seine Streupflicht auf einen Teil des Gehwegs beschränkt. Kein Mitverschulden des Gestürzten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 30.04.2014; Aktenzeichen 2 O 131/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.4.2014 verkündete Urteil der Zivilkammer 2 des LG Berlin - 2 O 131/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leisten.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklage aus übergegangenem Recht als Sozialversicherungsträgerin auf Schadenersatz wegen eines Sturzes des versicherten Zeugen ...in Anspruch, den dieser am 6.1.2011 infolge eines vereisten und mit Schnee bedeckten Gehwegs des Grundstücks ..., ...in unmittelbarer Nähe zu einer Bushaltestelle erlitten haben soll. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil der Zivilkammer 2 des LG Berlin Bezug genommen, das der Beklagten am 12.6.2014 zugestellt worden ist. Die Beklagte hat dagegen am 4.7.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1.10.2014 an diesem Tag begründet.
Die Beklagte trägt vor: Sie sei für den mutmaßlichen Sturzort nicht winterdienstpflichtig gewesen. Ihre Winterdienstpflicht sei auf den Gehweg beschränkt und erstrecke sich nicht auf den Radweg und den Bereich der Bushaltestelle der Linie ... Aus der Aussage des Zeugen ...und dem von ihm gefertigten Foto (Anl. PPP 1) folge, dass der Sturzort in einem Bereich liege, für den sie, die Beklagte, nicht winterdienstpflichtig gewesen sei. Der Verunfallte habe sich an den genauen Sturzort nicht erinnern können. Ihre Reinigungspflicht beziehe sich nur auf einen 1 m, allenfalls 1,50 m breiten Streifen auf dem Gehweg. Betroffen wäre hier nur der äußerste Rand des Gehwegs, für den sie nicht zuständig sei. Der Unfallort liege im Haltestellenbereich bzw. einem Zuweg hierzu. Außerdem habe sich der Unfall am 6.1.2011 um 6:50 Uhr außerhalb der Räum- und Streuzeiten ereignet. In der Nacht vom 5.1.2011 zum 6.1.2011 habe es eine neue Glättebildung gegeben. Der Deutsche Wetterdienst gelange in seinem Gutachten (S. 3 und 4, Anl. K 4) zu der Feststellung, dass in den Morgenstunden des 6.1.2011 Regen einsetzte, der auf dem gefrorenen Boden örtlich zu Glatteisbildung geführt habe. Der für den Winterdienst zuständige Zeuge ...habe zudem bestätigt, den Winterdienst ausgeführt zu haben, wenn er dies in der Streuliste vermerkt habe. Er habe angegeben, den Gehwegbereich in einer Räumbreite von 100 -110 cm bearbeitet zu haben.
Der Schaden sei hinsichtlich der Kosten für die stationären Behandlungen vom 14.3.2011 bis 3.5.2011 i.H.v. ...EUR und vom 24.5.2011 bis 15.6.2011 i.H.v. ...EUR weder schlüssig dargetan noch unter Beweis gestellt. Der Zeuge ...habe lediglich bekundet, er sei zwei Monate nach der ersten Behandlung im Krankenhaus ...nochmals in ein Krankenhaus aufgenommen worden. Dann müsse es sich aber um einen Zeitraum handeln, der im Juli oder August 2011 gelegen habe.
Völlig übergangen habe das LG den von ihr, der Beklagten, erhobenen Mitverschuldensvorwurf. Da der Zeuge ...auf einer erkennbar nicht geräumten Stelle gestürzt sei, greife insoweit der Beweis des ersten Anscheins für ein Mitverschulden, dass die Klägerin nicht entkräftet habe.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteils und macht insbesondere geltend: Da der Zeuge ...im Bereich des Gehwegs gestürzt sei und die Beklagte ihrer Streupflicht überhaupt nicht nachgekommen sei, könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Sturz habe sich in einem Bereich ereignet, der außerhalb der Streupflicht gelegen habe. Den letzten Niederschlag vor dem Unfall habe es am 4.1.2011 gegeben. Der 5.1.2011 sei dagegen niederschlagsfrei geblieben. Die Schneedecke sei weder am 4.1. noch am 5.1.2011 geräumt worden. Der Zeuge ...habe keine Erinnerung mehr an die Einzelheiten am Unfalltag gehabt.
Hinsichtlich der Schadenshöhe decke sich die Aussage des Geschädigten mit den vorgelegten Arztberichten (Anl. K 14). Ein Mitverschulden an dem Unfall treffe ihn nicht. Er habe am Unfalltag festes Schuhwerk, namentlich Halbschuhe mit geriffelter Sohle, getragen, die für jeden normalen Gehweg geeignet waren. Der Geschädigte habe auch keine Möglichkeit gehabt, dem Glatteis in irgendeiner Weise auszuweichen.
W...