Leitsatz (amtlich)
Der von einem Erben mit der Wahrnehmung seiner Interessen ggü. einem Nachlassgläubiger beauftragte Rechtsanwalt ist verpflichtet, für den Erben die Einrede der beschränkten Erbenhaftung zu erheben, es sei denn, eine Überschuldung des Nachlasses scheidet eindeutig aus.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 25.11.2003; Aktenzeichen 29 O 381/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.11.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des LG Berlin teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Vertragsverletzung (§§ 280, 286, 325, 326 BGB a.F. entsprechend; sog. positive Forderungsverletzung) des Anwaltsvertrages (§§ 675, 611 ff. BGB) auf Zahlung von 6.930 EUR sowie Freistellung von 7.888,93 EUR, 74,42 EUR und 529,19 EUR nicht zu.
1. Zwar hat das LG zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte es fehlerhaft unterließ, die Einrede der beschränkten Erbenhaftung, die zu einem entsprechenden Vorbehalt im Urteil geführt hätte, geltend zu machen. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung wird insoweit verwiesen. Da die Erhebung der Einrede keine Kosten verursacht, mag ein Unterlassen des Anwalts allenfalls dann vertretbar sein, wenn nach der Sachlage eindeutig eine Überschuldung des Nachlasses ausscheidet. Ansonsten ist ein Hinweis erforderlich und tatsächlich zu vermuten, dass die Klägerin bei Information über die Möglichkeit der Einrede der beschränkten Erbenhaftung dem zu gebenden Rat gefolgt wäre und den Beklagten angewiesen hätte, die Einrede geltend zu machen.
2. Die Klägerin hat jedoch - wie der Beklagte auch schon nachdrücklich in erster Instanz zu Recht geltend macht - ihren Schaden nicht schlüssig dargelegt. Dieser besteht nicht ohne Weiteres - wie es das LG angenommen hat - in der Inanspruchnahme des Privatvermögens der Klägerin. Der Schaden ist vielmehr durch einen Vergleich der Vermögenslagen ohne und unter Berücksichtigung des schädigenden Ereignisses zu ermitteln (§ 249 BGB; Palandt, BGB, 64. Aufl., Vorb v § 249 Rz. 8), sodass die Betrachtung nicht auf eine einzelne Position verkürzt werden kann, ohne das Gesamtvermögen also auch das Nachlassvermögen, soweit es der Klägerin zusteht, zu berücksichtigen. Dass die Klägerin mit ihrem Privatvermögen in Anspruch genommen wird, führt erst dann zu einem wirtschaftlichen Schaden, wenn dieser Betrag ganz oder teilweise nicht aus dem Nachlass zu decken ist. Zur Darlegung des Schadens gehört demnach zumindest der schlüssige Vortrag des Nachlasswertes. Abgesehen davon, wird sich ohnehin erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens der Schaden konkret beziffern lassen. Jetzt wäre er allenfalls dann vom Prozessgericht feststellbar, wenn die Sachlage in der Insolvenz einfach und klar wäre. Vortrag hierzu fehlt jedoch. Allein der Umstand der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1980 BGB, § 320 InsO) führt noch nicht zwingend zu einem Schaden des Erben in voller Höhe. Der Feststellung der Insolvenz liegen schließlich die Forderungen gegen den Nachlass zugrunde, sodass davon auszugehen ist, dass sie teilweise zu decken sind, denn andernfalls wäre eine die Kosten deckende Masse (vgl. § 1990 Abs. 1 BGB; § 26 InsO) nicht festgestellt worden. Werden Ansprüche vom Gläubiger nicht angemeldet, dann erwirbt der erfüllende, unbeschränkt haftende Erbe gegen den Nachlass einen entsprechenden Anspruch zur Quote, den er für den Gläubiger anmelden kann (§ 326 Abs. 3 InsO), sodass er in Höhe der Quote i.E. keinen Schaden hat. Hier handelt es sich nicht - wie das LG meint - um einen Fall des nachträglichen Vorteilsausgleichs, sondern um einen Anspruch, den die Klägerin nur wegen des schädigenden Ereignisses und der nun unabwendbaren Inanspruchnahme ihres Privatvermögens erwerben konnte. Solche Ansprüche sind beim Vergleich der Vermögenslagen zu berücksichtigen. Schließlich ist unklar geblieben, ob 12.000 EUR (so die Klägerin) oder 2 × 12.000 EUR (so der Beklagte) an die Masse nach Eröffnung zusätzlich geflossen sind und schon deshalb nachträglich ein Überschuss entstanden ist. Mangels Vortrages zu den Einzelheiten der Insolvenz lässt sich so weder beurteilen, ob der Klägerin als Erbin noch ein Überschuss ausbezahlt werden kann, noch in welcher Höhe ihr letztlich tatsächlich ein Schaden entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1449746 |
ZErb 2006, 61 |
BRAK-Mitt. 2005, 180 |
OLGR-Ost 2006, 42 |
www.judicialis.de 2005 |