Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Keine Verwirkung von Ansprüchen aus übergegangenem Recht
Leitsatz (redaktionell)
Keine Verwirkung von Ansprüchen aus übergegangenem Recht
Normenkette
SGB VIII a.F. §§ 95-96; BGB § 1610
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 15.10.2008; Aktenzeichen 152 F 9138/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 15.10.2008 geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.505,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 22 % und der Beklagte zu 78 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 543 Abs. 1 S. 2 ZPO, wobei der Tatbestand auf Antrag des Klägers dahingehend gem. § 319 ZPO zu berichtigen ist, dass der Kläger die Ansprüche des volljährigen Sohnes T. gemäß Überleitungsanzeige vom 17.2.2006 auf sich übergeleitet hat.
Der Sohn des Beklagten, T., verließ im Sommer 2004 die Schule. Vom 12.8.2004 bis Juni 2005 besuchte er einen berufsqualifizierenden Bildungsgang am Oberstufenzentrum Kommunikations-, Informations- und Medientechnik. Aufgrund von Problemen mit Mitschülern wechselte er die Schule und besuchte sie in der Folgezeit regelmäßig und absolvierte ein Praktikum als Tischler. Nachdem er seinen Abschluss im Sommer 2005 geschafft hatte, absolvierte er ein weiteres Praktikum und begann im September 2005 eine Ausbildung als Zweiradmechaniker und erhielt eine Ausbildungsvergütung von 282 EUR. Am 11.2.2006 brach er die Ausbildung ab. Nach einem Besuch beim Arbeitsamt im Februar 2006 absolvierte er ein Praktikum als Möbelhelfer und wollte dann eine Ausbildung als Maler beginnen. Nach Zustellung der Überleitungsanzeige vom 17.2.2006 am 21.2.2006 erhob der Beklagte hiergegen mit Schreiben vom 19.3.2006 Einwendungen. Mit Bescheid vom 30.11.2006 änderte der Kläger daraufhin die Überleitungsanzeige und machte noch einen Betrag von 4.975,60 EUR geltend. Mit Bescheid vom gleichen Tag wurde zudem auch ein Kostenbeitrag für die Heimunterbringung des Kindes T. vom 15.5.2004 bis 28.2.2005 gefordert. Gegen beide Bescheide hatte der Beklagten Widerspruch eingelegt und zur Begründung gegen den hier maßgeblichen Bescheid mit Schreiben vom 23.2.2007 u.a. ausgeführt, dass die Überleitung der Ansprüche erst ab dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige möglich sei, auf eine mögliche Verwirkung hingewiesen und zum Ausgleich der Forderung und Vermeidung eines Rechtsstreits eine Zahlung von 1.000 EUR angeboten. Mit Bescheid vom 17.9.2007 ist der Widerspruch gegen die Überleitungsanzeige vom 17.2.2006 in der Form des Änderungsbescheids vom 30.11.2006 zurückgewiesen worden. Mit Schreiben vom 25.10.2007 hat der Beklagte mitgeteilt, dass er gegen den Bescheid keinen Widerspruch einlegen werde, aber an seiner Rechtsauffassung festhalte.
Mit Urteil vom 15.10.2008 hat das AG die Klage abgewiesen. Es hat den auf den Kläger übergegangenen Anspruch des Sohnes T. für verwirkt erachtet, weil eine gerichtliche Geltendmachung erst knapp zwei Jahre nach dem Ende des Zeitraums, für den Unterhalt gefordert werde, erfolgt sei. Der Beklagte habe auch darauf vertrauen dürfen, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werde, da der Kläger neun Monate benötigt habe, um die ersten Einwendungen des Beklagten zu bescheiden und zu diesem Zeitpunkt bereits 19 Monate seit Zustellung der Rechtswahrungsanzeige vergangen seien. Erst nach einem weiteren Jahr habe der Kläger dann die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht. Aufgrund der auf Seiten des Klägers eingetretenen Verzögerungen habe der Beklagte nicht mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt.
Er ist der Auffassung, dass eine Verwirkung nicht eingetreten sei, weil der Beklagte gegen die erlassenen Bescheide Einwendungen erhoben habe und diese immer wieder geprüft worden seien, so dass der Beklagte nicht damit habe rechnen können, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werde.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 15.10.2008 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 2.3.2005 bis 31.3.2006 i.H.v. 4.527,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Kläger habe nur einen Unterhaltsanspruch des Kindes für den Zeitraum vom 1.9.2005 bis 11.2.2006 schlüssig dargetan. Allerdings fehle es an einer Inverzugsetzung, denn der Kläger habe zum Zeitpunkt der Rechtswahrungsanzeige bereits das Einkommen des Beklagten gekannt und hätte zu diesem Zeitpunkt den Beklagten mit einer bezifferten Forderung in Verzug setzen müssen, damit er rückwirkend Unterhalt verlangen könne. Er ist weiter...