Leitsatz (amtlich)
Wird in einem VOB-Bauvertrag abweichend von § 12 Nr. 4 Abs. 1 S. 1 VOB/B die förmliche Abnahme für alle Fälle vertraglich vereinbart, muss keine Partei sie mehr eigens gem. § 12 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B "verlangen".
Wird innerhalb der Frist des § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B kein Abnahmetermin anberaumt und die Abnahme auch nicht ausdrücklich verweigert, so ist davon auszugehen, dass auf die förmliche Abnahme verzichtet wird, sodass nach Ablauf von 12 Werktage nach Erhalt der Schlussrechnung gem. § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B oder durch Inbenutzungnahme gem. § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B die Abnahme als erfolgt gilt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 27.10.2005; Aktenzeichen 104 O 48/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.10.2005 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 104 des LG Berlin - 104 O 48/05 - abgeändert:
Der Vollstreckungsbescheid des AG ... wird aufrechterhalten. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 7,67 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns gem. § 631 BGB i.V.m. § 16 der vertraglich einbezogenen VOB/B und dem Nachunternehmervertrag vom 3.8.2004 i.H.v. noch 11.000 EUR.
a) Sowohl die Restwerklohnforderung aufgrund der 2. Abschlagsrechnung vom 11.8.2004 über noch 5.000 EUR als auch die Restwerklohnforderung aufgrund der Schlussrechnung vom 16.9.2004 über 6.000 EUR sind fällig, da von einer Abnahme der von der Klägerin erbrachten Leistungen auszugehen ist.
Zwar haben die Parteien in Ziff. 11 Abs. 1 des Vertrages vom 3.8.2004 eine förmliche Abnahme vereinbart und eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ausgeschlossen.
Als die Klägerin der Beklagten aber die Schlussrechnung übersandte, ohne den Antrag auf förmliche Abnahme zu stellen, gab sie damit zu erkennen, dass sie auf eine förmliche Abnahme keinen Wert legte, sondern davon absehen wollte (BGH BB 1977, 870; OLG Düsseldorf v. 12.11.1996 - 21 U 68/96, BauR 1997, 647). Das musste auch der Beklagten klar sein. Wenn diese daraufhin trotzdem mehrere Monate lang ihrerseits nicht den Wunsch nach förmlicher Abnahme äußerte, so ist das von beiden Parteien bis zum Jahresende 2004 gezeigte Verhalten dahin zu werten, dass sie übereinstimmend konkludent von der in Ziff. 11 des Nachunternehmervertrags vorgesehenen förmlichen Abnahme abgesehen haben und es bei formloser Abnahme haben bewenden lassen (BGH BB 1977, 870). Dabei kann offen bleiben, ob hier als Abnahmezeitpunkt der in § 12 VOB/B genannte oder ein späterer Zeitpunkt zu gelten hat. Jedenfalls liegt der Abnahmezeitpunkt hier nicht später als Ende 2004.
Unerheblich ist, ob sich die Parteien bewusst waren, dass in dem Nachunternehmervertrag eine förmliche Abnahme vorgesehen war, oder ob sie die Vereinbarung über eine förmliche Abnahme "vergessen" hatten (BGH BB 1977, 870) Auch im letzteren Fall muss das gleiche gelten, was der BGH in ständiger Rechtsprechung für das stillschweigende Absehen der Parteien von einer für Vertragsänderungen vereinbarten Schriftform angenommen hat (vgl. z.B. BGH NJW 1965, 293), dass es nämlich darauf nicht ankommt.
Wenn die Beklagte demgegenüber vorbringt, die Klägerin habe ihrerseits förmliche Abnahme "verlangen" können, so entspricht das nicht den Vereinbarungen der Parteien. Diese haben - abweichend von § 12 Nr. 4 Abs. 1 S. 1 VOB/B - die förmliche Abnahme für alle Fälle vertraglich vereinbart, sodass keine Partei sie mehr eigens gem. § 12 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B "verlangen" musste (BGH v. 13.7.1989 - VII ZR 82/88, MDR 1989, 1094 = BauR 1989, 727 [728]).
Da es im Vortrag der Beklagten an jedem Anhaltspunkt für einen späteren Zeitpunkt fehlt, ist davon auszugehen, dass die Beklagte einen Termin für die förmliche Abnahme spätestens innerhalb der Frist des § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B anzuberaumen gehalten gewesen wäre, d.h. innerhalb von 12 Werktagen nach Eingang der Schlussrechnung bei der Beklagten, die als Mitteilung über die Fertigstellung des Werks zu gelten hat (BGHZ 55, 354 [356]; BGH v. 28.4.1980 - VII ZR 109/79, BauR 1980, 357 [358]).
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Beklagte Mängel aufgrund der 2. Abschlagsrechnung vom 11.8.2004 gerügt hat (ein diesbezügliches Schreiben ist nur von der Klägerin erwähnt worden, von der Beklagten aber weder vorgetragen noch eingereicht worden). Sowohl gleichzeitig geltend gemachte Mängelrügen als auch der Vorbehalt von Gewährleistungsansprüchen stehen einer Abnahme grundsätzlich nicht entgegen. Da die Beklagte selbst nicht vorgetragen hat, dass sie nach Erhalt der Schlussrechnung die Abnahme ausdrücklich verweigert habe, ist durch Ablauf der 12 Werktage nach Erhalt der Schlussrechnung gem. § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B oder durch Inbenutzungnahme und Ablauf von sechs Werktagen gem. § 12 N...