Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswidrigkeit der Verbreitung eines Fotos
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Verbreitung eines Fotos kann im Rahmen der Abwägung gem. § 23 Abs. 2 KUG zu beurteilen sein, ob bereits die Fertigung des Fotos rechtswidrig war. Ob und in welchem Umfang schon das bloße Herstellen eines Fotos zu einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung führt, kann wiederum nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden.
2. Die bloße Anwesenheit wartender Fotografen stellt beim Bestehen eines entsprechenden öffentlichen Informationsinteresses grundsätzlich noch keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Für einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht müssten in einem solchen Falle zusätzlich besondere Umstände hinzutreten, die den Betroffenen konkret und in einem besonderen Maße beeinträchtigen oder belästigen. Ein derartige Umstände verursachendes Handeln einzelner Fotografen kann nicht ohne weiteres allen anderen wartenden Fotografen zugerechnet werden. Nur dann, wenn Fotos unter Mitverursachung oder Ausnutzung solcher Umstände entstanden sind, kann auch deren Fertigung bereits eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründen.
Normenkette
KUG §§ 22, 23 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.01.2007; Aktenzeichen 27 O 1035/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils des LG Berlin vom 23.1.2007 - 27. O. 1035/06 -abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist ein bekannter Schauspieler und Moderator, der im November 2004 wegen Betruges zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden ist. Er verbüßt die Strafe im offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt H. Seine Haft trat er am 25.10.2005 an, nachdem dem Kläger wegen beruflicher Verpflichtungen Haftaufschub bewilligt worden war.
Der Kläger hat eine einstweilige Verfügung des LG Berlin erwirkt, mit der der Beklagten u.a. untersagt worden ist, Fotos zu veröffentlichen, die ihn - wie in der von der Beklagten verlegten B.-Zeitung vom 11.11.2... geschehen - beim Verlassen der Justizvollzugsanstalt zeigten. Die Fotos waren am 10.11.2... vor der Haftanstalt entstanden, als der Kläger die Haftanstalt erstmals zu einem Freigang verlassen durfte und zeigen ihn auf dem Weg zu einem Pkw. Der Bericht war überschrieben mit: "Hier schlendert ... in die Freiheit."
Der vorliegende Rechtsstreit ist das Hauptsacheverfahren zu dem Verfahren auf Erlass der einstweiligen Verfügung (9 U 2/06 - LG Berlin 27. O. 1026/05). Der Senat hatte in diesem Verfahren mit Urt. v. 20.6.2006 die Berufung der Beklagten gegen das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil des LG Berlin zurückgewiesen. Wegen des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird auf dieses Urteil des Senates zu 9 U 2/06 Bezug genommen.
Auf die durch die Beklagte beantragte Fristsetzung gem. § 926 ZPO hat der Kläger Hauptsacheklage erhoben. Das LG Berlin hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Der Beklagten ist das Urteil des LG vom 23.1.2007 am 30.1.2007 zugestellt worden. Mit ihrer am 9.2.2007 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 11.4.2007 an diesem Tage begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Wegen des Sachverhalts wird im Übrigen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte meint, sie könne nicht für ein Verhalten Dritter haftbar gemacht werden, da sie weder eigene Mitarbeiter noch freie Fotografen mit der Fertigung von Fotos beauftragt habe. Die Situation einer Dauerbelästigung und Verfolgung habe ohnehin nicht vorgelegen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Berlin vom 23.1.2007 - 27. O. 1035/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, ein öffentliches Berichterstattungsinteresse an der Verbüßung seiner Strafhaft im offenen Vollzug könne nicht bestehen, da dies den gesetzlichen Regelfall darstelle.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die Klage ist abzuweisen.
1. Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. An einer solchen Einwilligung des Antragstellers fehlt es.
2. Bei den streitgegenständlichen Fotos handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, die grundsätzlich auch ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden dürfen (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG).
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Senat ausgeführt (vgl. die Parallelentscheidung zu 9 U 47/06: KG NJW 2007, 703):
"a) Der Antragsteller ist zwar keine sog. absolute Person der Zeitgesc...