Entscheidungsstichwort (Thema)
Positive Kenntnis über einen Kalkulationsirrtum
Normenkette
BGB §§ 157, 242, 433 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 230/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das am 8.2.1996 verkündete Urteil des LG Berlin – 9 O 230/95 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 350.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.5.1994 zu zahlen,
2. der Klägerin eine Rechnung nach den Vorschriften in § 14 UStG über einen Kaufpreis von 2.192.982,50 DM zzgl. 14 % MwSt. (307.017,55 DM) auszustellen.
Wegen des weiteren Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 550.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 4.10.1991 kaufte die damals noch in Gründung befindliche Klägerin von der Treuhandanstalt, die nunmehr unter dem Namen der Beklagten handelt, das Bergwerkseigentum zweier Bergfelder für den Bodenschatz „K.” zum Preis von 2.500.000 DM. Nach Erteilung der erforderlichen Genehmigungen wurde der Kaufpreis bezahlt; Übergabe, Nutzung und Lastentragung sind erfolgt.
Mit Schreiben vom 4.8.1993 forderte die Klägerin von der Treuhandanstalt eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der nach ihrer Auffassung im vereinbarten Kaufpreis enthaltenen Umsatzsteuer. Nachdem das Finanzamt der Treuhandanstalt in anderer Sache mit Schreiben vom 19.11.1993 mitgeteilt hatte, dass die entgeltliche Übertragung von Bergwerkseigentum umsatzsteuerbar und umsatzpflichtig sei, erteilte die Treuhandanstalt mit Schreiben vom 22.3.1994 der Klägerin eine Rechnung über netto 2,5 Mio. DM zzgl. 14 % Umsatzsteuer, insgesamt 2,85 Mio. DM und forderte sie zur Zahlung der weiteren 350.000 DM auf. Ein Angestellter der Klägerin überwies ohne Anweisung der Geschäftsführung diesen Betrag am 12.4.1994 an die Treuhandanstalt, die ihn an das zuständige Finanzamt weiterleitete.
Mit der Klage verlangte die Klägerin Rückzahlung der nach ihrer Auffassung zu Unrecht von der Beklagten geforderten und von ihr gezahlten Umsatzsteuer von 350.000 DM sowie die Erteilung einer Rechnung über einen Kaufpreis von 2.192.982,50 DM zzgl. 307.017,55 DM MwSt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 2.10.1997 zum Aktenzeichen 12 O 2092/96, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Auf die Gründe des Revisionsurt. v. 14.1.2000 – V ZR 416/97, WM 2000, 915 = NJW-RR 2000, 1652 wird Bezug genommen.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag, wonach die Rechtsvorgängerin der Beklagten in einem notariellen Vertrag vom 20.2.1991 mit der S. GmbH die gesetzliche Mehrwertsteuer ausdrücklich erwähnt hat. Sie meint, die Beklagte müsse sich das Wissen des damals für die Rechtsvorgängerin tätig gewordenen „Leihmanagers” zurechnen lassen. Insoweit bezieht sie sich auf die Rechtsprechung zu § 166 BGB, wonach sich juristische Personen, bei denen durch eine stärkere Arbeitsteilung eine „Wissensaufspaltung” entsteht, das Wissen ihrer Vertreter bzw. Mitarbeiter zurechnen lassen muss, da sie ggü. einer natürlichen Person nicht begünstigt werden dürfe. Diesen Gesichtspunkt habe der BGH bei seiner Entscheidung „offensichtlich nicht bedacht”.
Hinsichtlich der im Revisionsurteil hervorgehobenen zeitlichen Verzögerung, mit der die Klägerin eine Rechnung mit gesonderten Umsatzsteuerausweis verlangt hat, trägt sie im Einzelnen vor, ihre Geschäftsführung sei in den Jahren 1992 und 1993 wegen umfangreicher Aktivitäten stark in Anspruch genommen gewesen. Unter anderem sei mit der R. GmbH in R. vereinbart worden, dass diese ab Januar 1993 die Buchführung der Klägerin führen würde. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, weshalb die Klägerin zunächst an die Beklagte die nachträglich verlangte Umsatzsteuer bezahlt habe.
Der Investitionsbedarf zum Aufbau des Kieswerkes habe etwa 20 Mio. DM betragen. Die Klägerin habe zunächst das Problem der umfassenden Finanzierung lösen müssen. Deshalb sei ihre Geschäftsführung in den Jahren 1992 und 1993 vordringlich mit anderen Fragen befasst gewesen.
Das Umsatzsteuerproblem sei ihr jedoch bereits bei Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages bekannt gewesen. Ihr ehemaliger Geschäftsführer habe vor den Verhandlungen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten Gespräche mit dem Leiter der Steuerabteilung der H. AG F.R. geführt. Die H.G. sei Muttergesellschaft der S. GmbH, die in Verträgen mit der Rechtsvorgängerin der Be...