Leitsatz (amtlich)
1. Bei Wasser, das bestimmungswidrig aus der Kondensatwasserablaufleitung einer mit einem sog. Brennwertgerät betriebenen Heizungsanlage ausgetreten ist, handelt es sich um Leitungswasser i.S.v. § 6 Nr. 1c) VGB 88.
2. Unabhängig davon, ob und mit welchen Mitteln der Versicherungsnehmer den sog. Kausalitätsgegenbeweis nach § 6 Abs. 3 VVG führen kann, stehen ihm zum Beweis des Eintritts des Versicherungsfalls alle nach der Zivilprozessordnung zulässigen Beweismittel offen.
3. Die Entsorgung eines beschädigten Leitungswasserrohres ohne vorherige Zustimmung durch den Versicherer kann je nach den Umständen des Einzelfalles eine Obliegenheitsverletzung nach § 20 Nr. 1e) VGB 88 darstellen.
4. Auf Leistungsfreiheit wegen einer solchen Obliegenheitsverletzung kann sich der Versicherer jedoch nicht (mehr) berufen, wenn er über einen längeren Zeitraum weder die Vorlage des beschädigten Leitungswasserrohres verlangt, noch dessen Schadhaftigkeit überhaupt bestreitet.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 30.01.2007; Aktenzeichen 7 O 193/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 7 des LG Berlin vom 30.1.2007 teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 10.260,77 EUR nebst 4 % Zinsen vom 6.11.2003 bis zum 13.5.2004 und i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.5.2004 zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger je 1/24 und die Beklagte ⅞ zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer beider Parteien liegt jeweils unter 20.000 EUR.
Gründe
Die Kläger sind Eigentümer eines Mehrfamilienhauses und nehmen die Beklagte aus einer auf der Grundlage der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) mit dieser abgeschlossenen Gebäudeversicherung wegen eines am 6.11.2003 festgestellten Wasserschadens auf Zahlung von 11.787,25 EUR nebst Zinsen in Anspruch.
Das LG hat die Klage abgewiesen, da die Kläger den ihnen obliegenden Beweis eines bedingungsgemäß versicherten Leitungswasserschadens nicht erbracht hätten und die Beklagte darüber hinaus wegen einer Obliegenheitsverletzung der Kläger leistungsfrei sei.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen und vertiefen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beschlüssen vom 6.7.2007 (Bl. 62/64 Bd. II d.A.).
Wegen des Inhalts der Beweisbeschlüsse und des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 6.7.2007 (Bl. 62-65 Bd. II d.A.) Bezug genommen.
Die zulässige Berufung hat zum überwiegenden Teil in der Sache Erfolg.
I. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 10.260,77 EUR aus § 1 VVG i.V.m. den Versicherungsbedingungen VGB 88 zu.
1. Unstreitig bestand zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles (noch) ein Versicherungsvertrag nach § 1 VVG. Versicherte Sache i.S.d. § 1 VGB 88 war das im Eigentum der Kläger stehende Gebäude H. in B. Die Aktivlegitimation der Kläger hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.8.2004 außer Streit gestellt.
2. Nach § 4 Nr. 1b VGB 88 war (u.a.) die Beschädigung des Gebäudes durch Leitungswasser versichert, wobei nach § 6 Nr. 1c unter Leitungswasser auch das Wasser zu verstehen ist, das bestimmungswidrig aus Anlagen der Warmwasserheizung ausgetreten ist.
Dazu gehört entgegen der Ansicht der Beklagten auch das (Kondensat-)Wasser, das bei dem Betrieb eines sog. Brennwertgerätes anfällt und abgeleitet werden muss, was das LG zutreffend erkannt und worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 24.4.2007 hingewiesen hat. Denn die Leitung, die das anfallende Kondensatwasser ableitet, ist zweifellos Teil der Warmwasserheizungsanlage; das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist nicht nachvollziehbar, zumal auch der Sachverständige K. in seinem Gutachten vom 15.3.2005 ausgeführt hat, dass es "sich bei dem Kondensatablauf ... um einen Teil der Warmwasserheizung" handele.
3. Nach dem Ergebnis des gesamten Inhalts der Verhandlungen und der zu deren Gegenstand gemachten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie der von dem LG durch Einholung von Sachverständigengutachten und dem Senat durch Zeugenvernehmung durchgeführten Beweisaufnahmen (§ 286 ZPO) steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts auch fest, dass der von der Beklagten bestrittene Versicherungsfall - die bedingungsgemäß versicherte Beschädigung (von Teilen) des Gebäudes durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser - eingetreten ist.
a) aa) Die Kläger haben seit der Feststellung des Wasserschadens am 6.11.2003 behauptet, dass dieser durch ein Leck an der Heizungsanlage eingetreten sei und dies im Folgenden dahingehend konkretisiert, dass ein T-Stück der Kondensatwasser-Ablaufleitung durch Korrosion zerstört worden sei, so ...