Leitsatz (amtlich)

Ist das Bestehen einer Vollkasko-Versicherung unstreitig und macht der Beklagte geltend, die Ansprüche des Klägers wegen Beschädigung seines Pkw seien nach § 67 VVG auf den Vollkasko-Versicherer übergegangen, so trifft den Beklagten dafür die Beweislast.

Steht in jeder Fahrtrichtung einer Straße jeweils ein Fahrstreifen zur Verfügung, muss der nach links abbiegende Fahrer eines Kfz mit Anhänger nicht damit rechnen, dass ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer versuchen wird, am Gespann rechts vorbeizufahren bevor er seinen Abbiegevorgang beendet hat.

Ohne hinreichende besondere Unfallspuren kann ein Sachverständiger nicht feststellen, ob der Linksabbieger rückwärts gegen das Kfz des Unfallgegners gerollt ist oder der Unfallgegner vorwärts fahrend den Linksabbieger von hinten angestoßen hat.

Ist weder das eine noch das andere auszuschließen, kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 04.11.2003; Aktenzeichen 24 O 299/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 4.11.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 299/03 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 532,50 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.7.2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 1) 21 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie 42 % seiner eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.

1. Bezüglich des Beklagten zu 2) hat es bei der vollständigen Klageabweisung zu verbleiben, nachdem der Kläger sein - grundsätzlich beachtliches - Bestreiten des Vorbringens der Beklagten, wonach sich der Beklagte zu 2) zum Unfallzeitpunkt auf einer Dienstfahrt befunden habe, ausdrücklich aufgegeben hat.

2. Nicht gefolgt werden kann dem LG, soweit es Schadensersatzansprüche des Klägers auch gegen den Beklagten zu 1) als unbegründet angesehen hat. Der Beklagte zu 1) haftet dem Kläger gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 2 Pflichtversicherungsgesetz auf Ersatz von 50 % derjenigen Schäden, die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall v. 19.11.2002 entstanden sind.

a) Entgegen der Ansicht des LG hat der Kläger seine Aktivlegitimation hinreichend dargelegt. Unstreitig ist der Kläger zum Unfallzeitpunkt Eigentümer des bei dem Unfall beschädigten Pkw Audi A6 mit dem amtlichen Kennzeichen ... gewesen. Daraus ergibt sich grundsätzlich seine Aktivlegitimation hinsichtlich der aus der Beschädigung dieses Fahrzeugs entstandenen Schadensersatzansprüche. Der Kläger hat auch dargelegt, dass er die unstreitig bestehende Vollkasko-Versicherung für sein Fahrzeug nicht in Anspruch genommen hat. Wenn die Beklagten geltend machen wollen, Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall v. 19.11.2002 seien gem. § 67 VVG auf das Unternehmen übergegangen, bei dem der Kläger die Vollkasko-Versicherung abgeschlossen hat, so ist es grundsätzlich an ihnen, die Voraussetzungen für einen derartigen Forderungsübergang zu beweisen (BGH NJW 1956, 912 f., für Forderungsabtretung). Ohnehin käme ein Forderungsübergang nach § 67 Abs. 1 VVG nur hinsichtlich solcher Schadenspositionen in Betracht, die vom Versicherer auch tatsächlich ersetzt worden sind, also nicht für Schadenspositionen wie Nutzungsausfallentschädigung und die Nebenkostenpauschale, da diese von einer Vollkasko-Versicherung üblicherweise nicht umfasst sind. Soweit die Beklagten ihren gegenteiligen Standpunkt damit begründen, der Schädiger sei der Gefahr ausgesetzt, zweimal zahlen zu müssen, wenn der Geschädigte nicht nachweist, dass er seine Vollkasko-Versicherung nicht in Anspruch genommen hat, verkennen sie, dass den Belangen des Schuldnerschutzes durch die Vorschriften der §§ 412, 407 BGB in ausreichender Weise Rechnung getragen wird. Danach kann der Schuldner Zahlungen bis zum Zeitpunkt der Kenntnis vom Forderungsübergang mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger - in Fällen der vorliegenden Art also an den geschädigten Kfz-Eigentümer - erbringen, wobei nur sichere Kenntnis von der Leistung der Kaskoversicherung schadet (Himmelreich/Hahn/Bücken, Kfz-Schadensregulierung Rz. 346). Ob dem Geschädigten in derartigen Fällen eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, vorzutragen, ob er eine bestehende Vollkasko-Versicherung in Anspruch genommen und vom Versicherer Zahlungen erhalten hat, kann dahinstehen, da der Kläger einer solchen Darlegungslast jedenfalls in ausreichendem Maße nachgekommen wäre.

b) Der Unfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 S. 1 StVG dar, weil keine der Parteien mangels einer entsprechenden Beweisführung für sich in Anspruch nehmen kann, dass sich der Kläger bzw. der Beklag...

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