Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt: Keine Befristung wegen ehebedingter Nachteile aufgrund Aufgabe der Berufsausbildung nach Eheschließung und Betreuung dreier Kinder
Leitsatz (redaktionell)
Nachehelicher Unterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB ist zeitlich nicht zu begrenzen, wenn der unterhaltsbedürftige Ehegatte wegen der Erziehung und Betreuung eines gemeinsamen Kindes die aufgenommene berufliche Ausbildung (Bankkauffrau) aufgegeben hat und wegen der Betreuung und Erziehung weiterer Kinder die hierdurch eingetretenen beruflichen Nachteile nicht mehr hat ausgleichen können.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1578 Abs. 1, § 1578b Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 03.06.2008; Aktenzeichen 158 F 7254/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 3.6.2008 - 158 F 7254/07 - geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 10.6.2005 - 158 F 16645/03 - zu Ziff. 1 einen Unterhaltsrückstand von 8324 EUR für den Zeitraum von März 2007 bis Juni 2009 zu zahlen sowie ab dem 1.7.2009 einen Unterhalt von 739 EUR monatlich im Voraus zu zahlen.
Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 18 % und der Beklagten zu 82 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 5 % und der Beklagte 95 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien hatten am 28.3.1980 die Ehe geschlossen. Die Klägerin befand sich nach bestandenem Abitur in einer im September 1978 begonnenen Ausbildung zur Bankkauffrau. Der Sohn F. wurde am 11.10.1980 geboren. Die Klägerin gab ihre Ausbildung auf und der Ausbildungsvertrag wurde im Mai 1981 gelöscht. Im August 1984 wurde der Sohn D. geboren. Die Klägerin, die bis dahin nicht berufstätig war, begann 1986 mit einer Tätigkeit als Tagesmutter. Diese gab sie 1989 wieder auf, da der älteste Sohn an einem Krebsleiden erkrankte. Im Januar 1991 wurde der Sohn A. geboren. Die Klägerin begann am 19.11.1996 eine stundenweise Tätigkeit beim Unternehmen P., die sie bis heute ausübt. Ihr aktueller Stundenlohn beträgt 12,23 EUR brutto. In den Jahren 1997 und 1998 konnte sie lediglich stundenweise am Freitagnachmittag und Samstag arbeiten, weil nur zu diesen Zeiten eine Übernahme der Betreuung des Sohnes A., der damals einer erhöhten Betreuung bedurfte, durch den Beklagten möglich war. Der Beklagte hatte 1975 das Abitur abgelegt und dann eine Ausbildung im öffentlichen Dienst begonnen. Im September 1977 wurde er zum Stadtinspektor ernannt. Von 1977 bis 1980 besuchte er die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege. Von 1982 bis 1985 belegte er ein Fortbildungsstudium an der Verwaltungsakademie. Er durchlief von 1983 bis 1991 die Laufbahn des gehobenen Dienstes und war zuletzt Oberamtsrat. 1992 wechselte er im Land B. in den höheren Dienst und wurde im November 1994 zum Regierungsdirektor ernannt.
Ende 2002 trennten sich die Parteien und die Ehe wurde auf den im November 2003 zugestellten Scheidungsantrag am 10.6.2005 rechtskräftig geschieden. Die Parteien schlossen zugleich einen Vergleich vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg (158 F 16645/03), wonach sich der Beklagte verpflichtete an die Klägerin einen nachehelichen Unterhalt von 450 EUR zu zahlen. Hierbei ist eine Haushaltsersparnis von 200 EUR auf Seiten der Klägerin berücksichtigt worden, da sie damals mit einem Partner zusammen lebte. Gleichzeitig verpflichtete er sich an das Kind A. einen Unterhalt von monatlich 170 % des Regelbetrages nach § 1 der jeweiligen RegelbetragsVO der 3. Altersstufe zu zahlen und die Klägerin von Unterhaltsansprüchen des Kindes D. im Innenverhältnis freizustellen.
Die Partnerschaft der Klägerin bestand seit Oktober 2005 nicht mehr. Die Ausbildung des Sohnes D. endete im August 2006. Der Beklagte zahlt an das Kind A. seit März 2007 aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg vom 9.11.2007 - 158 F 8454/07 - einen monatlichen Unterhalt von nunmehr 180 % des jeweiligen Regelbetrages gem. § 1 der RegelbetragsVO der 3. Altersstufe.
Der Beklagte zahlt fortlaufend 450 EUR an die Klägerin. Ferner leistete er an das Kind F. einen Unterhalt von monatlich 246 EUR für Januar 2007 bis Juni 2007, 146 EUR im Juli 2007, 196 EUR im August 2007, 96 EUR im September 2007, 46 EUR im Oktober 2007, 150 EUR im November 2007 und 100 EUR im Dezember 2007.
Wegen des Verdienstes der Parteien in den Jahren 2007 und 2008 wird auf die überreichten Gehaltsbescheinigungen Bezug genommen. Die Klägerin erhielt im Februar 2007 eine Steuererstattung für das Jahr 2005 von insgesamt 952,36 EUR.
Der Beklagte erhielt in 2007 eine Steuererstattung für 2006 von insgesamt 2.977,09 EUR und 2008 eine Steuererstattungen für 2007 von 1.936,19 EUR und 2009 aufgrund der für 2007 zu berücksichtigenden Werbungskosten für die Fahrten zur Arbeit weit...