Leitsatz (amtlich)
Das Vermummungsverbot nach § 17 a Abs. 1 VersammlG steht nicht unter dem Vorbehalt, dass nur Vollstreckungsbehörden gegenüber die Identität nicht verschleiert werden darf, sondern gilt uneingeschränkt wegen der abstrakten Gefahr, die von einer Vermummung bei einer Demonstration ausgeht.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 30.08.2007; Aktenzeichen (257 Cs) 81 Js 1217/04 (1143/04)) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 30. August 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hatte die Angeklagte am 21. April 2005 von dem Vorwurf freigesprochen, sich am 1. Mai 2004 als Teilnehmerin einer öffentlichen Demonstration mittels eines Schals und einer Kapuze vermummt zu haben, um die Feststellung ihrer Identität zu verhindern (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 17 a Abs. 2 Nr. 1 VersG). Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat am 15. Dezember 2006 das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen. Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte am 30. August 2007 erneut freigesprochen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
Das Amtsgericht Tiergarten hat folgende Feststellungen getroffen (UA S. 2 und 3):
"Am 01. Mai 2004 kam es in Berlin-Lichtenberg und Friedrichshain zu einer genehmigten Demonstration der NPD. Die Demonstration sollte gegen 14.00 Uhr beginnen. Die genehmigte Route des Aufzuges verlief auf der Frankfurter Allee von Lichtenberg kommend stadteinwärts Richtung Friedrichshain, und zwar dort auf der stadteinwärts führenden Straßenseite. Nach einem Wendepunkt in Friedrichshain sollte sodann der Aufzug sich auf derselben Route wieder stadtauswärts auf der Frankfurter Allee Richtung Lichtenberg bewegen. Da es bereits gegen 14.00 Uhr auf und an der Frankfurter Allee zu einem Aufmarsch von Gegendemonstranten in Höhe Atzpodienstraße gekommen war, begann die Demonstration der NPD mit erheblicher Verspätung. Um einen reibungslosen Ablauf der Demonstration zu gewährleisten, begannen bereits Polizeikräfte die Gegendemonstrationen von der Frankfurter Allee zurückzudrängen. Etwa gegen 14.30 Uhr gelang es den eingesetzten Polizeikräften, eine größere Gruppe von Störern an der Aral-Tankstelle, die sich an der stadtauswärts führenden Seite der Frankfurter Allee, Höhe Atzpodienstraße befindet, einzukesseln. In dem von Polizeibeamten umringten Kessel befand sich auch die Angeklagte. Um eine Konfrontation zwischen Teilnehmern des NPD-Aufzuges und den Gegendemonstranten zu erschweren und einen Sichtkontakt zu verhindern, parkten die eingesetzten Polizeidienstkräfte auf dem Mittelstreifen der Frankfurter Allee auf Höhe der fraglichen Aral-Tankstelle Mannschaftswagen der Polizei, die Stoßstange an Stoßstange abgestellt wurden. Die in der Einschließung befindlichen Gegendemonstranten wurden von den eingesetzten Polizeibeamten zunächst fotografiert und gefilmt, was der Angeklagten auch klar war. Als etwa gegen 18.00 Uhr der NPD-Aufzug die Frankfurter Allee stadteinwärts auf Höhe der Aral-Tankstelle entlang zog, verhüllte die Angeklagte ihr Gesicht mit einem schwarzen Fließtuch; zudem zog sie die Kapuze ihres Pullovers über den Kopf, so dass von ihrem Gesicht nur noch die Augen zu sehen waren. Die Angeklagte wollte damit erreichen, dass sie für die von ihr erwarteten Film- und Fotoaufnahmen aus der NPD-Demon-stration heraus nicht zu erkennen war. Nachdem der NPD-Aufzug nach einigen Minuten vorüber gezogen war, nahm die Angeklagte sowohl die Kapuze als auch das Fließtuch wieder von ihrem Kopf, so dass sie für die Polizeibeamten wieder erkennbar war. Erneut legte die Angeklagte ihre Vermummung an, als der NPD-Aufzug etwa 20 Minuten später - also gegen 18.20 Uhr - wieder auf der Frankfurter Allee stadtauswärts marschierte. Die Angeklagte handelte dabei wieder aus derselben Motivation."
1.
Das Amtsgericht führt zutreffend aus, dass der festgestellte Sachverhalt die äußeren Merkmale des § 17 a Abs. 2 Nr. 1 VersG erfüllt. Die Angeklagte hat als Demonstrantin an einem öffentlichen Aufzug unter freiem Himmel teilgenommen. Sie hat zeitweise eine Kapuze und einen Fliesschal über ihr Gesicht gezogen, um sich unkenntlich zu machen und die Feststellung ihrer Identität zu verhindern.
2.
Das Amtsgericht ist dennoch zu einem Freispruch gelangt, weil nicht feststellbar gewesen sei, dass die Angeklagte gegenüber Polizeibeamten die Feststellung ihrer Identität verhindern wollte. Ihr sei vielmehr bewusst gewesen, dass die Polizeibeamten von dem Beweissicherungskommando sie längst gefilmt und fotografiert hätten. Der Angeklagten sei ...