Leitsatz (amtlich)
Sieht die Satzung einer GmbH die Möglichkeit der Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung eines Gesellschaftsanteils für den Fall seiner Pfändung vor, kann ein entsprechender Einziehungs- oder Abtretungsbeschluss gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen und anfechtbar sein, wenn die Gesellschaft die betreffenden Geschäftsanteile selbst im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO aufgrund eines nicht rechtskräftigen Titels wegen einer zwischen den Parteien umstrittenen Forderung gepfändet hat.
Normenkette
GmbHG § 16 Abs. 3, § 34
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 93 O 61/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 29. August 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 93 O 61/19 - abgeändert und die mit dem Beschluss vom 13. Juni 2019 des Landgerichts Berlin erlassene einstweilige Verfügung bestätigt.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zuordnung eines Widerspruchs zu einer Gesellschafterliste. Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) ist eine GmbH mit Sitz in Berlin. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten vom 10. Februar 2016 sah vor, dass ein Geschäftsanteil u. a. dann ohne Zustimmung des Gesellschafters eingezogen oder an die Gesellschaft abgetreten werden kann, wenn der Gesellschaftsanteil von einem Gläubiger des Gesellschafters gepfändet wird.
Der Verfügungskläger (nachfolgend: Kläger) übernahm am 2. Juni 2016 im Rahmen einer Kapitalerhöhung 468 Geschäftsanteile an der Beklagten zu einem Nennwert von je einem Euro. Ferner verpflichtete er sich zur Leistung eines unechten Agios in Höhe von 125.000,00 Euro. Die Einlageverpflichtung betreffend die Geschäftsanteile sowie einen Teil des Agios in Höhe von 75.000,00 Euro erbrachte der Kläger durch Zahlung. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages in Höhe von weiteren 50.000,00 Euro ist zwischen den Parteien streitig, ob die Forderung durch Verrechnung mit Anwaltsleistungen erloschen ist, die der Kläger für die Beklagte erbracht hat. Nachdem die Beklagte wegen der Zahlungsverpflichtung aus dem verbleibenden Agio ein - bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung noch nicht rechtskräftiges - Zahlungsurteil des Landgerichts München I vom 14. August 2018 gegen den Kläger erwirkt hatte, betrieb sie im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO die Pfändung der Geschäftsanteile des Klägers. In einer notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 29. April 2019 beschloss die Beklagte sodann die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile des Klägers an sich selbst auf der Grundlage ihrer zwischenzeitlich am 12. Oktober 2018 redaktionell geänderten Satzung. Schließlich reichte die beurkundende Notarin am 3. Mai 2019 eine Gesellschafterliste bei dem Registergericht ein, welche die Beklagte als Inhaberin der ursprünglich dem Kläger zustehenden Geschäftsanteile ausweist.
Der Kläger hat den Gesellschafterbeschuss vom 29. April 2019 betreffend die Zwangsabtretung seiner Geschäftsanteile mit einer am 28. Mai 2019 beim Landgericht Berlin eingegangenen Klage - 93 O 57/19 - angefochten. Ferner hat er am 4. Juni 2019 beim Landgericht Berlin beantragt, der geänderten Gesellschafterliste im Wege einer einstweiligen Verfügung einen Widerspruch zuzuordnen. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung zunächst am 13. Juni 2019 antragsgemäß erlassen. Aufgrund des Widerspruchs der Beklagten hat es die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil vom 29. August 2019 wieder aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen. Der Kläger erstrebt mit seiner Berufung eine Bestätigung der durch das Landgericht ursprünglich erlassenen einstweiligen Verfügung.
II. A. Die Berufung des Klägers ist zulässig und insbesondere nach §§ 511 ff. ZPO form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entgegen, dass der Kläger innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keinen ausformulierten Berufungsantrag angekündigt hat.
Nach § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Diese Erklärung muss aber nicht notwendig in einem bestimmten Antrag niedergelegt werden. Die Vorschrift verlangt lediglich, dass die Begründungsschrift ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erkennen lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil der ersten Instanz angefochten werden soll. Das ist aber bereits dann der Fall, wenn die Berufungsbegründung den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulässt (BGH. Beschluss vom 20. August 2019 - VIII ZB 29/19, NJW-RR 2019, 1293; BeckOK ZPO/Wulf, 35. Ed. 1.1.2020, ZPO § 520 Rn. 15 m. w. N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen hier an der Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Zweifel. Denn der Inhalt der innerhalb der Frist nach § 520 Abs. 2 ZPO einger...