Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlendes Verschulden eines Mieters bei Nichtzahlung der Miete

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des fehlenden Verschuldens eines Mieters bei Nichtzahlung der Miete über einen Zeitraum von mehreren Monaten.

 

Normenkette

BGB § 546 Abs. 1, § 566 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 12.12.2007; Aktenzeichen 221 C 360/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.12.2007 verkündete Urteil des AG Charlottenburg, 221 C 360/07, geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der ersten und zweiten Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats unzweifelhaft nicht zulässig ist. Die Revision ist nicht zugelassen worden und gem. §§ 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gegeben, da die Beschwer der Klägerin nicht über 20.000 EUR liegt. Bei Räumungsklagen wird der Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 8 ZPO ermittelt (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.2005 - III ZR 342/04, in GE 2005, 611), wobei die Nettokaltmiete zzgl. einer etwaigen Nebenkostenpauschale zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2008 - VIII ZR 50/06, zitiert nach juris, Rz. 2 und 3). Danach beträgt die Beschwer der Klägerin höchstens 13.107 EUR (= Miete von 43,69 EUR × 12 Monate × 25 Jahre).

II.A. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von über 600 EUR gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Der Wert der Beschwer eines zur Räumung einer Mietwohnung Verurteilten bestimmt sich nach §§ 8, 9 ZPO; lässt sich, wie hier, nicht festmachen, wann das Mietverhältnis unstreitig geendet hätte, bemisst sich die Beschwer nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Entgeltes (vgl. BGH, Beschl. v. 13.3.2007 - VIII ZR 189/06, in GE 2007, 780). Somit beläuft sich die durch das Urteil des AG vom 12.12.2007 verursachte Beschwer auf 1.834,98 EUR (= Miete von 43,69 EUR × 12 Monate × 3,5 Jahre).

B. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Jedenfalls aufgrund neuen Vortrages in der Berufungsinstanz, welcher zu berücksichtigen war, war die Klage abzuweisen. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihm ab Juli 1996 gemieteten Wohnung zu, weil der Mietvertrag nicht beendet ist (§§ 566 Abs. 1, 546 Abs. 1 BGB). Infolgedessen scheidet wegen des Besitzrechts des Beklagten nach § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ein Herausgabeanspruch aus Eigentum gem. § 985 BGB aus:

Ausweislich S. 6 der Klageschrift bilden den Gegenstand dieses Verfahrens die Kündigungserklärungen der Klägerin in den Schreiben vom 26. und 29.9.2006, soweit sie hilfsweise ordentlich gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgesprochen wurden. Die Kündigungserklärungen sind unwirksam, weil das Erfordernis einer schuldhaften erheblichen Pflichtverletzung des Beklagten nicht erfüllt ist. Dies ist das Ergebnis folgender Abwägung:

Zwar ist eine fristgemäße Kündigung wegen Zahlungsrückständen über mehrere Monate, hier in den Monaten Mai 2006 bis September 2006, grundsätzlich zulässig, weil der Mieter damit in nicht unerheblicher Weise gegen eine vertragliche Hauptleistungspflicht nach § 535 Abs. 2 BGB verstößt; die einmal eingetretene Pflichtverletzung kann - anders als bei einer außerordentlichen Kündigung - nicht durch die nachträgliche Begleichung der Mietschuld geheilt werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2007 - VIII ZR 145/07, in NJW 2008, 508 ff.; Urt. v. 25.10.2006 - VIII ZR 102/06, in NJW 2007, 428 ff.; Urt. v. 16.2.2005 - VIII ZR 6/04, in BGHReport 2005, 687 ff.).

Jedoch ist der Ausgleich der Rückstände bei der Bewertung des Verschuldens des Mieters heranzuziehen (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2005 - VIII ZR 6/04, in BGHReport 2005, 687 ff.; OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 19.8.1992, 3 REMiet 1/92, in NJW-RR 1993, 79 f.; OLG Stuttgart, Rechtsentscheid vom 28.8.1991, 8 REMiet 2/91, in GE 1991, 927 ff.).

Insoweit ist festzuhalten, dass der Beklagte die rückständigen Mieten von Mai 2006 bis September 2006 alsbald nach Erhalt der Kündigungsschreiben beglich. Selbst wenn - mit dem AG - der vollständige Ausgleich der Rückstände angesichts der Dauer des Unterbleibens der Mieteingänge nicht ausreichend sein sollte, um das Verschulden des Beklagten wesentlich abzumildern, so kommt doch nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien in der zweiten Instanz ein entscheidender Gesichtspunkt hinzu: Der Beklagte hatte die Mieten nicht vorsätzlich zurückgehalten (§ 276 Abs. 1 BGB). Die Mietrückstände erklären sich damit, dass der Beklagte davon ausgegangen war, die bisherige Eigentümerin und Vermieterin, die W.W. (künftig: W. GmbH), werde, wie die Jahre zuvor, von der gem. Nr. 2 (2) der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag erteilten Einzugsermächtigung Gebrauch machen. Eine im Einvernehmen mit dem Gläubiger erteilte Einzugsermächtigung führt dazu, dass di...

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