Normenkette

StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 5

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 612/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das am 10.11.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.755,70 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 16.1.1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 20 % und der Beklagte 80 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

I. Abweichend von der Ansicht des LG steht dem Kläger infolge des Verkehrsunfalls vom 25.11.1998 gegen 14.10 Uhr, bei dem er mit seinem Personenkraftwagen Opel Corsa B – … mit dem vom Beklagten gehaltenen und bei ihm eigenversicherten Ackerschlepper Agria B – … in B. auf dem D.-Weg in Höhe des Grundstücks Nr. 216 zusammenstieß, ein Schadensersatzanspruch nach einer Quote zu 3/4 zu. Die Haftung des Beklagten ergibt sich aus § 7 Abs. 1 StVG und § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 PflVG. Deshalb kann dahinstehen, ob sich die Haftung des Beklagten ferner aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB ergibt.

Der Kläger hat nicht den Beweis geführt, dass er sich auf ein eventuelles Fehlverhalten der Fahrerin des Ackerschleppers, der Zeugin F., eingestellt hätte. Letztere hat den Unfall im Wesentlichen verursacht und verschuldet, wie noch auszuführen ist. Damit kann sich keine der Parteien auf ein die Haftung und Mithaftung ausschließendes unabwendbares Ereignis berufen. Die deshalb nach § 17 Abs. 1 StVG gebotene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile des Klägers und der Zeugin F. führt unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr zu dem Ergebnis, dass der Beklagte dem Kläger dessen Schaden nach einer Quote zu 3/4 zu ersetzen hat; demzufolge kann der Beklagte seinen Schaden, den er im Wege der hilfsweisen Aufrechnung (§§ 387, 389 BGB) geltend macht (S. 4 des Schriftsatzes vom 7.2.2000, Bl. 26), lediglich nach einer Quote von 1/4 ersetzt erhalten. Bei dieser Abwägung sind neben unstreitigen Tatsachen lediglich bewiesene Umstände zu berücksichtigen; dabei finden die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins Anwendung.

II. Die Zeugin F. wollte mit dem Ackerschlepper und einem Anhänger nach links auf das Grundstück D.-Weg … gelangen, als der Kläger mit seinem Personenkraftwagen links zu überholen begann. Hierbei geriet der Kläger mit dem Personenkraftwagen vorn rechts gegen den Schlepper vorn links, der hierauf nach links kippte und teilweise auf den Personenkraftwagen fiel. Dies steht aufgrund des vom LG eingeholten Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. W. vom 12.9.2000 (Bl. 62 ff.) fest, das insoweit von keiner Partei angegriffen worden ist. Damit ist auszuschließen, dass die Zeugin F. etwa mit dem Schlepper rechts auf den Bürgersteig geraten wäre und dieser aus diesem Grunde umgekippt sein könnte.

1. Weil die Zeugin F. nach links auf ein Grundstück gelangen wollte und der Unfall sich in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit diesem Vorgang ereignet hat, hatte sie einmal rechtzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen (§ 9 Abs. 1 S. 1 StVO). Außerdem musste sie sich rechtzeitig möglichst weit nach links zur Fahrbahn- bzw. Straßenmitte einordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2 StVO). Vor dem Einordnen nach links und nochmals bei dem Abbiegen nach links hatte sie auf den nachfolgenden Verkehr zu achten (§ 9 Abs. 1 S. 4 StVO). Darüber hinaus hatte sie, da sie auf ein Grundstück gelangen wollte, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 9 Abs. 5 StVO; vgl. BGH VRS 31, 219 [222]; KG v. 5.10.1981 – 12 U 1308/81, VRS 62, 95 [94]; KG v. 4.6.1987 – 12 U 4540/86, NJW-RR 1987, 1251 = VerkMitt 1987, 93).

Im Rahmen des § 9 Abs. 1 und Abs. 5 StVO spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den nach links auf ein Grundstück abbiegenden Kraftfahrer. Kommt es zwischen ihm und einem überholenden Verkehrsteilnehmer zu einem Unfall, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der nach links abbiegende Fahrzeugführer die ihm nach § 9 Abs. 1 und Abs. 5 StVO obliegende gesteigerte Sorgfaltspflicht verletzt hat (KG v. 4.3.1993 – 12 U 1788/92, NZV 1993, 272 = VerkMitt 1993, 59 Nr. 78; KG, Urt. v. 13.4.1995 – 12 U 3117/93). Wegen der besonderen Sorgfaltspflicht haftet derjenige, der verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Verkehrsteilnehmer zusammenstößt, für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein, ohne dass dem Überholenden die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges angerechnet wird (KG v. 4.6.1987 – 12 U 4540/86, NJW-RR 1987, 1251; Urt. v. 31.10.1994 – 22 U 4618/93; Urt. v. 13.1.1997 – 12 U 7147/95)

2. Der nach links in eine Grundstückseinfahrt Abbiegende kann den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins entkräften, indem er einen abweichenden Geschehensablauf nachweist (BGH DAR 1984, 85; KG DA...

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