Entscheidungsstichwort (Thema)
Falsche Angabe: „laut Vorbesitzer unfallfrei”
Leitsatz (amtlich)
Der Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs täuscht den Käufer arglistig, wenn er im Kaufvertrag erklärt, das Fahrzeug sei „… laut Vorbesitzer unfallfrei”, wenn er seinerseits beim Kauf vom Vorbesitzer den schriftlichen Hinweis „Unfall, Hagelschaden Motorhaube + Dach, Dellen HiKo re. + vorne lks” erhalten hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.05.2003; Aktenzeichen 31 O 417/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8.5.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 31 des LG Berlin – 31 O 417/02 – abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.967,85 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 4.10.2002 Zug um Zug gegen Übergabe des Kraftfahrzeugs …, amtliches Kennzeichen …, Fahrgestell-Nr. … zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 28 % und der Beklagte 72 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 8.5.2003 verkündete Urteil des LG, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen wird.
Der Kläger beantragt; unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.971,06 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe des Kraftfahrzeuges …, amtliches Kennzeichen …, Fahrgestellnummer … zu zahlen,
2. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht das Vorliegen von Mängeln des … verneint,
festzustellen, dass der Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug … im Jahre 2002 geschlossen wurde, nämlich am 4.1.2002.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung ist begründet, da der Kläger nach erfolgter Anfechtung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages Rückzahlung des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 BGB verlangen kann.
Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 24.7.2002 ausgesprochene Kündigung wegen arglistiger Täuschung war wirksam, da die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB vorlagen. Die Erklärung des Beklagten im Kaufvertrag, wonach das Fahrzeug „… laut Vorbesitzer unfallfrei” gewesen sei, war objektiv falsch. Aus der Empfangsbescheinigung vom 18.10.2001, mit der der Beklagte von der D. AG als Vorbesitzerin das Fahrzeug übernommen hatte, ergibt sich folgende Bemerkung:
„Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer:
UNFALL, HAGELSCHADEN MOTORHAUBE + DACH, DELLEN HIKO RE. + VORNE LKS.”
Hieraus ergibt sich eindeutig, dass das Fahrzeug neben Hagelschäden auch einen Unfall erlitten hatte. Der Senat kann dem Vortrag des Beklagten, wonach ein Hagelschaden einem Unfall gleichzusetzen sei und eine Täuschung deshalb entfalle, weil bei dem Verkaufsgespräch auf die Hagelschäden hingewiesen worden sei, nicht folgen. Wenn im Gebrauchtwagenhandel und – wie vom Beklagten behauptet – insb. von der D. AG dies so gesehen werden sollte, lässt sich nicht erklären, weshalb dann der „Unfall” ausdrücklich neben dem Hagelschaden im Übergabeprotokoll aufgeführt worden ist. Dass die Betrachtungsweise des Beklagten nicht zutreffen kann, ergibt sich i.Ü. schon aus der Bewertungsverhandlung von … vom 10.7.2001, in der deutlich neben den am Fahrzeug gekennzeichneten Hagelschäden am Dach eine Unfallfreiheit wegen anderer Vorkommnisse gerade verneint wird. Der Beklagte durfte somit das Fahrzeug nicht als „unfallfrei” lt. Vorbesitzer bezeichnen; er war vielmehr zur Aufklärung über die Mitteilung der D. AG („Unfall”) verpflichtet (vgl. zum Umfang der Aufklärungspflicht insoweit OLG Koblenz VRS 102, 174 ff.; OLG Frankfurt v. 19.2.1999 – 24 U 71/97, OLGReport Frankfurt 1999, 170 = NJW-RR 1999, 1064; KG, Urt. v. 11.1.1996 – 12 U 1741/95, bei Juris Web Nr. KORE 422259600; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 123 Rz. 7).
Das Verhalten des Beklagten ist auch als arglistig i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB zu bezeichnen, da ihm die Unrichtigkeit seiner Angaben bekannt war und er wissen musste, dass die unrichtige Erklärung für den Kaufentschluss des Klägers von Bedeutung sein konnte. Die Täuschung war auch kausal für den Kaufentschluss des Klägers. Insoweit spricht bereits ein Anscheinsbereich für die Ursächlichkeit (hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 123 Rz. 24). Dieser Anscheinsbeweis ist durch den Beklagten nicht erschüttert worden. Der Hinweis darauf, dass der Kläger trotz der Hagelschäden das Fahrzeug (wenn auch zu einem günstigeren Preis) erworben hat, hilft insoweit nicht weiter:
Entscheidend wäre gewesen, ob der Kläger trotz Hinweis auf einen vom Vorbesitzer bescheinigten Unfall das Fahrzeug erworben hat. Dies hat der Beklagte gerade nicht vortragen können, so dass die Vermutung für die Kausalität fortbesteht. Allerdings kann der Kläger nicht den vollen Kaufpreis zurückverlangen, da er sich wegen der Nutzung des Fahrzeugs Gebrauchsvorteile anrechnen lassen muss. Diese sind anzusetzen mit 0,75 % des Anschaffungspreises pro gefahrene 1.000 Kilometer (Paland...